Lolo – Drei sind einer zu viel

Jeder will alt werden, aber keiner will alt sein. Das sorgt zum einen dafür, dass der Jugendwahn immer schrillere Blüten treibt, zum anderen sehen beispielsweise Sechzigjährige heute nicht mehr wie Greise aus wie noch vor einigen Jahrzehnten. Wir kleiden, geben und verhalten uns manchmal als wären wir zehn Jahre jünger, und solange das nicht albern wirkt, ist nichts dagegen zu sagen. Warum sollten Rentner keinen Rap hören oder Mittvierziger auf dem Skatebord durch die Straßen fahren?

In Hollywood gehen die Uhren natürlich anders. Nicht nur, dass viele Frauen die seltsamsten Dinge tun, um jünger auszusehen – man denke nur mal an Gyweneth Paltrows Detox-Wahn – sie haben, vor allem als Schauspielerinnen, auch einen besonders schweren Stand. Wenn es überall auf der Welt heißt, dass vierzig das neue dreißig ist, ist das in Hollywood genau anders herum. Inzwischen gelten bereits Darstellerinnen jenseits der neunundzwanzig als zu alt …

Kein Wunder, dass sich viele Damen im „vorgerückten Alter“ entschließen, ihre Karriere in andere Bahnen zu lenken. Sie gründen Kosmetikfirmen wie Jessica Alba, vermarkten Trends wie Miss Paltrow oder produzieren bzw. inszenieren ihre eigenen Filme. Mittlerweile hat wohl jede namhafte Schauspielerin ihre eigene Produktionsfirma und sucht nach Stoffen für sich selbst. Und wenn keine zur Hand sind, schreibt frau eben selbst.

In Deutschland gibt es übrigens einen anderen Trend: Schauspielerinnen jenseits der vierzig starten häufig eine Karriere als Sängerin …

Lolo – Drei sind einer zu viel

Violette (Julie Delpy) arbeitet in der Modeindustrie und ist alleinerziehende Mutter eines neunzehnjährigen Sohns namens Lolo (Vincent Lacoste), den sie über die Maßen vergöttert. Als sie im Urlaub den mäßig attraktiven und etwas naiven Jean-René (Dany Boon) kennenlernt, verliebt sie sich zu ihrer eigenen Überraschung Hals über Kopf in ihn. Kurze Zeit später zieht er nach Paris, und die beiden werden ein Paar – sehr zum Missfallen von Lolo …

Wäre dies ein amerikanischer Film, man wüsste genau, was jetzt passiert: Lolo wäre natürlich etwas jünger und würde sich eine Menge derber Scherze auf Kosten Jean-Renés einfallen lassen, dann aber seine menschlichen Qualitäten zu schätzen lernen und sich am Ende mit ihm versöhnen. Ein Hohelied auf die Familie. Doch diese Komödie stammt aus Frankreich, sogar aus der Feder von Julie Delpy selbst, die nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch inszeniert. Letzteres macht sie ziemlich gut, als Schauspielerin ist sie ohnehin versiert, nur als Autorin tut sie sich immer noch schwer.

Weil mittlerweile auch bei ihr angekommen ist, dass Vulgarität zieht, wird gleich zu Beginn kräftig vom Leder gezogen, was mitunter befremdlich wirkt, aber immer noch relativ harmlos ist. Lustig ist es allerdings auch nicht. Später schickt sie Dany Boon von einem Fettnäpfchen zum nächsten, was er aber so souverän und herzerfrischend natürlich spielt, dass er immer sympathischer wird.

Lolos Streiche sind zunächst kindischer Natur, nur die Reaktion seiner Mutter darauf ist völlig überzogen. Julie Delpys Violette ist ein hysterischer Kontrollfreak und alles andere als liebenswert. Wenn sie am Ende die Wahrheit über ihr einziges Kind erfährt, schlägt das Pendel viel zu schnell in die andere Richtung aus – eine selbstkritische Analyse bleibt dabei völlig aus, das eigene Versagen wird ignoriert. So ist das Ende des Films geradezu böse und das Gegenteil dessen, was Hollywood uns in dem Fall verkaufen würde.

Trotz einiger hinreißender Momente und witziger Szenen insgesamt ein bisschen zu langatmig und unausgeglichen.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.