Mehr Polter als Geist

Vergangene Woche war ich abends mit einem Kollegen verabredet, der nicht gerade für seine Pünktlichkeit bekannt ist. Die längste Zeit, die ich einmal auf ihn gewartet habe, betrug sage und schreibe zwei Tage. Deshalb dachte ich mir, dass ich mir die Wartezeit mit einem Film vertreibe, von dem ich ohnehin nicht viel Gutes gehört habe, auf den ich aber neugierig war. So kann man sich ein Bild davon machen, jedoch jederzeit ausschalten. Was soll ich sagen – der Kollege kam in den letzten zehn Minuten …

Poltergeist

Eric Bowen (Sam Rockwell) ist seit einiger Zeit arbeitslos, weshalb er mit seiner Familie in ein kleineres, preiswerteres Haus zieht. Im Garten befindet sich ein unheimlicher Baum, Tochter Madison (Kennedi Clements) spricht mit unsichtbaren Freunden im Wandschrank, und auch sonst passieren bald einige gruselige Dinge. Eric erfährt, dass sich unter der Siedlung früher einmal ein Friedhof befunden hat, und schon bald ist klar, dass die Geister der Verstorbenen ziemlich sauer auf die Lebenden sind. Sie entführen Madison …

Einen Klassiker seines Genres remaken zu wollen, ist grundsätzlich keine gute Idee, im besten Falle überflüssig, im schlechtesten eine Katastrophe. Dieser Film tendiert zu letzterem. Das Original hat zwar schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel, ist aber nach wie vor spannend und gruselig, was man über das Remake leider nicht sagen kann. Für einen Horrorfilm per se eine schlechte Voraussetzung.

Das Tempo ist viel zu gemächlich, die Atmosphäre erinnert eher an eine Reality-Serie über Geisterjäger, weshalb es nicht wundernimmt, dass ein solcher, gespielt von Jared Harris, auch tatsächlich auftaucht. Gemeinsam mit seiner Ex-Frau (Jane Adams), einer Wissenschaftlerin, die das Paranormale untersucht, und jeder Menge High Tech-Utensilien dringt er in das Geisterreich ein, um die Entführte zu befreien.

Hat das Original damals neue Maßstäbe für das Genre gesetzt, kaut das Remake nur brav alles wider, was diese Art von Horrorfilm in den letzten Jahren neu aufgeboten hat. Handwerklich ist das durchaus solide gemacht, die Schauspieler sind nicht peinlich oder schlecht, die Effekte können sich sehen lassen, und auch dramaturgisch kann man daran nichts aussetzen – der Film hat nur leider keine Seele. Vermutlich liegt das vor allem an Regisseur Gil Kenan, dessen Vorgängerfilme Monster House und City of Ember – Flucht aus der Dunkelheit trotz vielversprechender Prämissen ähnlich kraftlos wirkten.

Note: 4-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.