Vor hundert Jahren tobte der Erste Weltkrieg, der später zunächst der Große Krieg genannt wurde, weil man schließlich nicht wissen konnte, dass alles noch einmal schlimmer kommen würde. Für uns ist es wie der Rückblick auf eine schon längst vergangene Zeit, dabei ist es gar nicht mal so lange her. Vor hundert Jahren war mein Großvater ein junger Mann, und wie viele Männer seiner Generation wurde auch er eingezogen und an die Front geschickt.
Er geriet in russische Gefangenschaft und wurde in ein Lager nach Sibirien verfrachtet, wo er – freiwillig oder gezwungenermaßen – für einen russischen Offizier arbeitete. Es war in den letzten Kriegstagen, die Rote Armee rückte immer näher, da hörte er ein Gespräch mit an, in dem der Offizier zu einem Kameraden sagte, dass sie wohl bald vor den Kommunisten würden fliehen müssen – zuvor wollten sie jedoch die Gefangenen töten. Mein Großvater entschied sich zur Flucht. Zusammen mit einem Freund schlug er sich nach Kamtschatka durch, um dann nach Japan überzusetzen. Von dort aus begann die lange Reise nach Hause. Als er 1922 (!) zurückkehrte, war die Welt eine andere. Sein Land, Österreich-Ungarn, existierte nicht mehr, die beiden Kaiser hatten abgedankt, und wenige Kilometer von seinem Dorf entfernt, verlief plötzlich eine Grenze …
Leider habe ich diese Geschichte nicht aus erster Hand erfahren. Mein Großvater redete nicht über die Vergangenheit, zumindest nicht mit einem kleinen Kind wie mir. Ich habe erst viele Jahre nach seinem Tod davon erfahren und bedaure bis heute, dass ich ihn nie nach seinen Abenteuern befragen konnte. Es wäre sicherlich eine spannende Geschichte geworden.
Als ich vor ein paar Wochen Das Versprechen eines Lebens gesehen habe, musste ich an meinen Großvater denken. Und plötzlich erschien mir die Geschichte, die Russell Crowe uns erzählt hat, gar nicht mehr so weit weg.
Das Versprechen eines Lebens
Connor (Russell Crowe) ist ein australischer Farmer, dessen drei Söhne allesamt im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Seine Frau (Jacqueline McKenzie) kommt über den Verlust nicht hinweg und nimmt sich das Leben. Und so reist Russell Crowe in die Türkei, um auf dem Schlachtfeld von Gallipoli nach den Gräbern seiner Söhne zu suchen. Er spricht auch mit dem türkischen Major Hasan (Yilmaz Erdogan), der auf der Gegenseite bei den endlosen und letztlich unentschieden ausgefochtenen Kämpfen dabei war, und die beiden werden zögerlich Freunde. Dann macht er eine überraschende Entdeckung: Einer seiner Söhne könnte noch leben …
Bei der Schlacht von Gallipoli fielen besonders viele australische Soldaten, weshalb diese im Bewusstsein des Landes bis heute stark verankert ist. Schon Mel Gibson spielte 1981 in einem Film mit, der die Ereignisse von damals rekonstruierte, insofern ist es nicht überraschend, dass Russell Crowe sich für diese, auf einer wahren Begebenheit beruhenden Geschichte entschied, mit der er sein Regiedebüt gab.
Als Regisseur hat er seine Sache gut gemacht. Die Bilder sind superb, besonders die Rückblenden in die Kindheit seiner Söhne, die in warmen Farbtönen schwelgen und mit den Gute-Nacht-Geschichten aus Tausendundeiner Nacht bereits das orientalische Thema des Films vorwegnehmen. Die Söhne, ihre Motivation in den Krieg zu ziehen und ihre Erlebnisse dort bleiben jedoch weitgehend im Dunkeln.
In erster Linie geht es um einen Vater auf der Suche nach dem Schicksal seiner Söhne, ein Vater, der wie so viele andere um seine Kinder trauert und dabei die junge, schöne Witwe Ayshe (Olga Kurylenko) trifft, deren Mann im Krieg gefallen ist und die ihren Sohn allein großzieht. In ihrem Hotel wohnt Connor während seines Istanbul-Aufenthalts, und er freundet sich mit dem nun vaterlosen Sohn an. Und am Ende deutet sich sogar eine Liebesgeschichte zwischen Ayshe, die mit ihrem Schwager verheiratet werden soll, und Connor an. Leider drückt sich der Regisseur Crowe gerade gegen Ende – wie die Suche nach seinem möglicherweise noch lebenden Sohn ausgeht, soll hier nicht verraten werden – weitgehend um die Emotionen herum. Etwas mehr Drama und vor allem mehr Gefühl hätte schon sein dürfen. Das ist schade, denn der Stoff hätte das durchaus hergegeben, ohne dabei kitschig zu wirken. Immerhin bleibt uns so das typisch amerikanische Pathos erspart, mit dem ein Hollywood-Regisseur den Zuschauer vermutlich erschlagen hätte …
Das Tempo des Films ist eher gemächlich, was aber zu den betörenden Bildern passt. Dass aus den Feinden letztendlich Freunde werden, ist eine positive Botschaft, auf der anderen Seite hätte man sich durchaus eine schärfere Haltung zum Krieg oder zur Situation in der Türkei gewünscht. Denn der politische Umbruch und die Atatürk-Bewegung spielen in der Tat eine Rolle, nur bekommen die Griechen hier den Stempel der Bösen aufgedrückt. Das ist ein bisschen einseitig und nachgerade geschichtsverfälschend, bei einem türkischen Geldgeber als Partner jedoch nicht verwunderlich. Es ist daher auch nicht überraschend, dass der Film in der Türkei besser lief als in den meisten anderen Ländern.
Insgesamt kein Meisterwerk, aber ein gelungenes Regiedebüt.
Note: 3+