The Revenant – Der Rückkehrer

Vor ein paar Tagen titelte Der Postillion, dass „der ewige Pechvogel“ Leonardo DiCaprio bei einer Preisverleihung wieder einmal leer ausgegangen sei: Er habe keinen Grammy erhalten. Bei aller Ironie bringt diese Schlagzeile doch das Dilemma dieses Schauspielers, der zu den Großen seiner Generation gehört, auf den Punkt: Der Mann hätte schon längst einen Preis als Bester Schauspieler verdient.

1994 ist er mir zum ersten Mal aufgefallen in Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa, und schon damals habe ich nicht verstanden, warum er für seine Rolle nicht den Oscar bekommen hat. Er war zwar nominiert, verlor aber gegen Tommy Lee Jones (Auf der Flucht). Nichts gegen Tommy Lee Jones, aber Leo war einfach besser. Und an seiner Jugend kann es auch nicht gelegen haben, denn die acht Jahre jüngere Anna Paquin erhielt im selben Jahr den Preis für ihre Leistung in Das Piano.

Das Leben ist manchmal eben ungerecht. Mein Lieblingsfilm mit Leonardo DiCaprio stammt übrigens aus dem Jahr 1996: In dem Drama Marvins Töchter spielt er den rebellischen Sohn von Meryl Streep, und einige Wortgefechte zwischen den beiden sind mir auch zwanzig Jahre später immer noch sehr gut in Erinnerung. Über die Jahre hinweg war es interessant zu beobachten, wie er als Schauspieler sein Repertoire immer weiter ausbaute, wie er mit Titanic zum Publikumsliebling und Teenie-Idol wurde und seither zielsicher zwischen Mainstream und Arthouse wandert.

Inzwischen ist er so etwas wie der letzte verbliebene Hollywoodstar, der es schafft, sein Publikum selbst dann ins Kino zu locken, wenn er einen zotteligen Trapper spielt, der von den Toten zurückkehrt, um Rache zu nehmen. Und diesmal wird er den Oscar bekommen, endlich und verdientermaßen.

The Revenant –  Der Rückkehrer

Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) arbeitet im frühen 19. Jahrhundert als Kundschafter für eine amerikanische Pelzjäger-Kompanie. Seit seine indianische Frau bei einem Angriff von Soldaten ums Leben kam, ist sein Sohn alles, was ihm noch geblieben ist. Das Leben in der Wildnis ist hart, und dann wird ihre Gruppe eines Tages von Indianern überfallen, die auf der Suche nach einer entführten Häuptlingstochter sind. Nur knapp kommen sie mit dem Leben davon und müssen sich nun über Land bis zu ihrem Fort durchschlagen. Unterwegs wird Glass durch einen Bärenangriff schwer verletzt, sein Sohn und zwei Soldaten bleiben bei ihm, darunter der ewig unzufriedene Fitzgerald (Ton Hardy), der stets anderen die Schuld für seine Probleme gibt. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, bei der Fitzgerald Glassʼ Sohn tötet und ihn selbst halb tot zurücklässt. Doch Glass lässt sich nicht unterkriegen, und der Gedanke an Rache verleiht ihm neue Kraft.

Schon der Anfang ist atemberaubend: Die Kamera von Emmanuel Lubezki schwebt geradezu über dem Wasser, wenn Vater und Sohn sich an ein Tier heranschleichen, und wenn kurz darauf die Gruppe Indianer die Trapper und Jäger angreift, scheint man sich mitten im Kampfgetümmel zu befinden. Mitunter ist die Kamera sogar so nahe, dass DiCaprios Atem die Linse beschlägt …

Die unglaublichen Aufnahmen, bei denen man sich oft unwillkürlich fragt, wie sie das nur gemacht haben, sind das größte Plus des Films. Sie verleihen der an sich herkömmlichen Story eine Unmittelbarkeit, die einen von Anfang an in ihren Bann zieht. Die Natur präsentiert sich hier so majestätisch und furchteinflößend, dass jeglicher zivilisatorischer Einfluss sinnlos und zum Scheitern verurteilt erscheint, gleichzeitig besitzt sie eine große mythische Kraft, die beinahe etwas Göttliches besitzt. Regisseur Iñárritu arbeitet mit einer starken Symbolik, um seine Heldensaga zu erzählen, die nahezu jedes seiner Bilder mit Bedeutung auflädt. Das ist stellenweise sehr gut gelungen, wiederholt sich dann ein wenig zu oft und schweift am Ende leider ein wenig ins Beliebige ab, was schade ist. Von einem Film wie diesem, den man schon jetzt zu den Meilensteinen des Western zählen kann, hätte man sich ein stringenteres und folgerichtigeres Ende gewünscht, das zumindest nicht den Zufall bemüht.

Vom Schluss und einigen Längen im Mittelteil abgesehen, kann man an dem Film nichts aussetzen. Und das ist mehr, als ich über jeden anderen Film des meiner Meinung nach etwas überschätzten Regisseurs sagen kann. So wie es um die Natur und den Kampf gegen ihr wütendes Geschick geht, handelt die Geschichte auch von der widerstreitenden Natur des Menschen, der über seine reinen Instinkte hinauswachsen und sein tierisches Erbe überwinden kann. Doch dieser zivilisatorische Anstrich ist dünn, und die Gesetze von Anstand und Moral haben in der Wildnis kaum etwas zu sagen. Aus diesem Thema hätte man viel mehr machen können, so bleibt vor allem eines in Erinnerung: Die großartigen Bilder.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.