The Big Short

Es ist immer dasselbe: Hat man Zeit und Lust, ins Kino zu gehen, findet man garantiert nichts, was man sich anschauen könnte, aber wehe, man hat nur eine einzige Gelegenheit, einen Film zu sehen …

Immerhin zwei neuere Filme habe ich in den vergangenen Wochen sehen können, darunter einen der diesjährigen Oscar-Kandidaten:

The Big Short

Michael Burry (Christian Bale), ein autistisch veranlagter Fonds-Chef mit einem herausragenden Verständnis für Zahlen, fällt 2005 als erstem auf, dass der gesamte amerikanische Hypothekenmarkt hoffnungslos überbewertet ist und in absehbarer Zeit kollabieren wird. Er shortet diese Anleihen, wettet also auf ihren Ausfall. Zufällig bekommt Jared Vennett (Ryan Gosling) von der Deutschen Bank dies mit und springt auf den Zug auf, indem er aus dem Verkauf dieser SWAPs ein äußerst lukratives Geschäft macht. Durch ihn wird Mark Baum (Stevve Carell) darauf aufmerksam und steigt nach eingehender Prüfung ebenfalls in das Geschäft ein, ebenso zwei Neulinge im Bereich der Fonds, gespielt von Finn Wittrock und John Magaro. Doch bis zur Immobilienkrise, aus der dann zuerst eine Banken- und schließlich eine internationale Wirtschaftskrise wird, dauert es, und zunächst verlieren alle durch ihre Wetten nur Geld und brauchen starke Nerven …

Ich kann mich noch gut an den Herbst 2005 erinnern und ein Gespräch, das ich mit Freunden in L.A. geführt habe, in dem es darum ging, dass immer mehr Geld für Häuser gezahlt wird, das diese jedoch niemals wert sind. In den USA glaubte man damals tatsächlich, dass diese Entwicklung immer so weiter gehen würde, obwohl jeder mit einem bisschen gesunden Menschenverstand einsehen musste, dass dies unmöglich der Fall sein konnte. Aber manchmal will man eine unangenehme Wahrheit einfach nicht sehen.

Die Hauptfiguren in The Big Short haben jedoch genau hingesehen und wussten daher mehr als all die Banker, die vor lauter Gier blind geworden waren. Sie wurden ausgelacht und verspottet und aus diesem Grund mag man sie als Zuschauer, weil man instinktiv immer zu den Außenseitern hält. Genauer betrachtet, sind sie jedoch nicht sonderlich sympathisch, zum einen erfährt man viel zu wenig über sie, um ihnen emotional näher zu kommen, zum anderen weiß man, dass sie ihr Wissen nur zu einem Zweck genutzt haben: um sich und ihre Klienten zu bereichern. Im Film bringt das lediglich der von Brad Pitt gespielte Ex-Banker auf den Punkt, und auch Steve Carell darf am Ende ein wenig menscheln und sich betroffen zeigen. Nein, man mag sie nicht wirklich, die Helden dieses Films.

Wenn man aus dem Kino kommt, möchte man sich ohnehin am liebsten die Hände waschen oder einer rituellen Reinigung unterziehen. Oder den erstbesten Banker vermöbeln. Man hat es seit 2008 ja immer wieder gehört, aber es hier noch einmal in einem klugen, fundierten und relativ übersichtlichen Abriss präsentiert zu bekommen, ist auf seine Art erschreckend: Das gesamte System ist nicht nur völlig marode, sondern sogar kriminell. Es wird nicht nur getrickst, sondern im großen Stil betrogen. Gier ist die Triebfeder, und die hat nicht nur die eine, sondern beide Seiten des Schreibtisches im Griff. Oder wie ist es zu erklären, dass jemand ohne Sicherheiten ein Haus kauft, von dem er eigentlich wissen müsste, dass er es niemals bezahlen kann? Gesunder Menschenverstand? Fehlanzeige!

Man muss den Machern des Films unbedingt zugutehalten, dass sie ein solch wichtiges und an sich dröges Thema unterhaltsam und stellenweise amüsant aufgearbeitet haben. Der Film ist, wie gesagt, größtenteils wie eine Dokumentation inszeniert, und immer wieder wird diese Inszenierung gebrochen, indem sich ein Schauspieler direkt ans Publikum wendet. Mitunter nervt das, so wie auch die überlappenden Dialoge, die zur Folge haben, dass Steve Carell sich einmal selbst unterbricht und dabei die beste Szene ruiniert, die er seit langem gespielt hat. Aber das sind nur Kleinigkeiten, viel wichtiger ist die Botschaft: Die Banken haben uns alle reingelegt. Wir haben vielleicht geglaubt, dass sie nicht nur zu gierig waren, sondern auch zu blöd, um die Risiken zu erkennen, aber das stimmt nicht. Sie wussten, was sie taten, und hofften, der Staat würde sie retten. Und weil dies geschehen ist und sie ungeschoren damit durchgekommen sind, werden sie es noch einmal tun. Sie arbeiten bereits daran, wie uns im Nachspann verraten wird, und dass sie wissen, dass wir es wissen, spielt dabei überhaupt keine Rolle – denn es ist ihnen schlichtweg egal.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.