Organisiertes Verbrechen gibt es nicht nur in Italien, sondern auch in anderen Teilen der Welt. In Mittel- und Südamerika sind es vor allem die Drogenkartelle, die sich in einem regelrechten Krieg mit den jeweiligen Regierungen befinden und ganze Länder beherrschen, und auch ihre Geschichten werden inzwischen filmisch erzählt.
Eine groß angekündigte Netflix-Produktion ist Narcos, die auch von der Kritik gefeiert wurde. Hier geht es um Pablo Escobar (Wagner Moura), den berüchtigtsten Drogenhändler Kolumbiens, der in den späten Achtzigern und Neunzigern die Schlagzeilen beherrschte. Seine Gegenspieler sind der DEA-Agent Steve Murphy (Boyd Holbrook) und sein kolumbianischer Kollege Javier Pena (Pedro Pascal), die immer wieder ausgetrickst werden und gegen Maulwürfe und Spitzel in den eigenen Reihen zu kämpfen haben. Die Inszenierung folgt der erklärenden Form eines Dokumentarfilms, in der vieles im Off kommentiert wird. Das ist auf Dauer ein wenig ermüdend, weil man die Zusammenhänge gerne sehen und selbst begreifen möchte, anstatt alles präsentiert zu bekommen. Die Inszenierung selbst ist die eines Thrillers, manchmal sehr spannend und immer hervorragend gespielt. Die Serie zählt sicherlich zu den Highlights des Herbstes. Allerdings ist sie nichts, was man nebenbei schauen kann, denn die Hälfte der Dialoge sind auf Spanisch mit Untertiteln …
Eine weitere aufwändig gemachte Serie ist Prófugos – auf der Flucht, die erste Produktion von HBO Latin America. Sie behandelt das Schicksal einer chilenischen Bande, die einen großen Drogendeal abwickeln will, bei dem jedoch alles schief geht: Sowohl die Polizei als auch ein rivalisierendes Kartell lauern ihnen auf, die Lieferung explodiert, und es kommt zu einem Massaker. Von nun an sind die vier Männer auf der Flucht – und jeder von ihnen hütet ein dunkles Geheimnis …
Schon die erste Staffel macht deutlich, dass hier Wert auf Action gelegt wird. Es gibt kaum eine Episode ohne mindestens eine wüste Schießerei, eine ausufernde Verfolgungsjagd oder eine Explosion. Nebenbei wird unablässig gemordet, gefoltert und verstümmelt; zimperlich ist keiner der Akteure. Und eine Menge Sex-Szenen gibt es obendrein – da fällt die derbe, von Schimpfwörtern gespickte Sprache schon gar nicht mehr ins Gewicht. Kein Wunder, dass keine Folge ohne Jugendschutz gezeigt wird.
Für Spannung sorgt aber nicht nur die permanente Flucht über zwei Staffeln hinweg, sondern auch die Handlung, die reich an Geheimnissen, Intrigen und überraschenden Wendungen ist. Manche Episoden haben mehr Wendepunkte als mancher Spielfilm, doch in der Mitte der zweiten Staffel scheint der Bogen überspannt zu werden. Bis dahin hat es so viele Enthüllungen und Überraschungen gegeben, dass man nicht mehr sicher sein kann, ob das alles noch zusammenpasst oder nur auf der Behauptungsebene funktioniert. Hier und da hapert es mit der Logik und der Psychologie der Figuren, die mitunter auch mehr wissen als sie wissen dürften und daher an Orten auftauchen, die sie nicht kennen dürften, nur weil die Handlung es gerade erfordert.
Der Effekt ist alles, das gilt auch für die blumige Wortwahl, bei der man gelegentlich an eine Telenovela denken muss. Aber das sind eben Südamerikaner, sie reden gerne und viel und neigen zu emotionalen Übertreibungen. Entweder Liebe oder Hass, lauwarme Gefühle gibt es hier nicht.
Die Inszenierung ist weitgehend spannend, die gesamte Serie hat nur den Nachteil, dass man keine einzige Figur wirklich sympathisch findet und einen ihr Schicksal entsprechend eher kalt lässt. Dafür gibt es mit dem von Luis Gnecco hervorragend gespielten Morena einen so düsteren, hassenswerten Bösewicht, dass es ein Vergnügen ist, ihm bei seinen Missetaten zuzusehen. Dabei ist der Schauspieler eigentlich bekannt für seine Auftritte in Komödien …
Im Gegensatz zu den anderen Serien über das organisierte Verbrechen dürfen hier auch Frauen eine wichtige Rolle spielen. Sie stehen den Männern in Sachen Brutalität und Skrupellosigkeit in nichts nach, im Gegenteil, vielfach ziehen sie sogar im Hintergrund die Strippen und sind verantwortlich für all die Gewalt.
Natürlich darf auch Zeitgeschichtliches nicht fehlen. Die Nachwehen der Militärdiktatur spielen ebenso eine Rolle wie der Kampf zwischen konkurrierenden Kartellen oder die Korruption der Regierung. Die Polizei erscheint unfähig und ebenso skrupellos wie die Gangster, und je mehr kriminelle Machenschaften unter Kommissaren und Ministern aufgedeckt werden, desto ehrlicher wirken die Verfolgten.
Wer solide Action mag und jenseits des Hollywood-Mainstreams nach guter Unterhaltung sucht, dürfte hier fündig werden.