Gestern gab es was mit der Rute – oder etwas Süßes, je nachdem wie brav man war. Als ich im Kindergarten das erste Mal mit dem Nikolaus konfrontiert wurde, hatte ich ganz schön Angst vor dem großen Mann mit dem weißen Rauschebart; zum Glück kam er damals allein und nicht zusammen mit Knecht Ruprecht. Wenn ich heute am 5. Dezember meine Schuhe vor die Tür stellen würde, wären sie am nächsten Morgen leer und nicht einmal geputzt. Das ist eben das Elend, wenn man erwachsen ist. Ach, früher war es doch besser, da gab es keinen Weihnachtsstress, weil man Heiligabend immer noch nicht alle Geschenke beisammen hatte oder der Baum auch nach dem zehnten Versuch immer noch schief im Ständer steht …
Nostalgie ist etwas Herrliches, sollte aber nicht im Übermaß genossen werden. Wer ein wenig darin schwelgen will, ohne den Blick für die Realität zu verlieren, sollte sich den neuen Spielberg anschauen.
Bridge of Spies – Der Unterhändler
Der New Yorker Anwalt James B. Donovan (Tom Hanks) erhält eines Tages die wenig prestigeträchtige Aufgabe, Rudolf Abel (Mark Rylance), einen gerade gefassten, sowjetischen Spion, zu verteidigen. Er macht seine Sache gut, zu gut sogar, was ihm die Anfeindungen der Presse und seiner Mitbürger einbringt. Immerhin gelingt es ihm, den Richter davon zu überzeugen, den Verurteilten nicht hinzurichten, sondern in Haft zu nehmen, falls einmal ein amerikanischer Spion in die Hände der Russen falle sollte. Ein paar Jahre später ist dies tatsächlich der Fall, und die Regierung schickt Donovan als inoffiziellen Unterhändler nach Ost-Berlin …
Der Kalte Krieg war ein Krieg der Spione, und ein ganzes Genre blühte damals auf. Doch so unterhaltsam die Geschichten eines James Bond sind, was passiert, wenn ein weniger erfolgreicher Agent enttarnt wird? Mit einem spannenden Katz-und-Maus-Spiel beginnt der Film und erzählt von der Verhaftung Abels. Der Russe wird von der Öffentlichkeit vorverurteilt, und selbst der Richter ist davon überzeugt, dass er schuldig ist. Es braucht schon einen aufrechten Mann, einen wahren Amerikaner, der all den ideologisch Verblendeten sagt, dass Freiheit und Demokratie, Menschenrechte und nicht zuletzt die beinahe sakrosankte Verfassung höher zu bewerten sind als eine schlichte Auge-um-Auge-Mentalität. Amerika hatte den Anspruch, besser zu sein, eine moralische Instanz. Und niemand verkörpert eine solche Figur, die leicht zum einfältigen Gutmenschen geraten kann, besser und glaubwürdiger als Tom Hanks. Steven Spielberg und seine Autoren Matt Charman sowie Joel und Ethan Coen, halten dabei auch dem modernen Amerika den Spiegel vor, das vor Folter und Einkerkerung ohne rechtstaatlichen Prozess nicht mehr zurückschreckt. Der Krieg gegen den Terror ist hart und schmutzig, dagegen erscheint der Kalte Krieg geradezu kuschelig …
Spielberg entführt uns sanft und behutsam in diese vermeintlich gute, alte Zeit. Der Film wird in einem Tempo erzählt, das für heutige Zuschauer vermutlich eine Spur zu langsam ist, dabei werden einem das New York der späten Fünfziger, frühen Sechziger und das Berlin des Mauerbaus mit einer Detailverliebtheit präsentiert, die an Wimmelbücher erinnert. Die Kamera von Janusz Kaminski ist wie immer makellos.
Abgesehen von der Eröffnungssequenz kommt nur wenig Spannung auf. Dennoch ist der Film nicht eine Minute lang langweilig. Das liegt an der hervorragenden Besetzung und der Neugier, die die Geschichte erweckt. Und hin und wieder – schließlich hatten die Coens ihre Hand mit im Spiel – darf sogar geschmunzelt werden …
Note: 2-