In meinem Leben läuft etwas schief. Und zwar ganz grundsätzlich. Genau das hat mir heute mein Arzt gesagt, nachdem er mich gründlich durchgecheckt und nichts gefunden hat. Sicher, für Ärzte gibt es keine gesunden Menschen, sondern nur Patienten, die nicht ausreichend genug untersucht wurden, aber darauf wollte er nicht hinaus. Es ging ihm um Sport. Jeder Mensch sollte jeden Tag dreißig Minuten an der frischen Luft joggen und anschließend zehn Minuten lang seinen Rücken trainieren, und wenn man das nicht schafft, stimmt etwas mit seinem Leben nicht.
Die Sportkeule also. Wenn man schon nicht mit hohem Blutdruck, schlechten Cholesterinwerten oder wenigstens X-Beinen aufwarten und der Arzt einem auch weder das Rauchen noch das Trinken verbieten kann, muss man halt wegen seiner Faulheit ermahnt werden. Dabei treibe ich Sport. Zumindest hin und wieder. Und noch viel häufiger nehme ich es mir vor.
Dabei hat der gute Mann ja Recht. Wir alle sollten viel mehr für unsere Gesundheit tun. Weniger Fleisch essen (und nie, niemals Wurst, wie wir nun wissen), ausreichend schlafen, uns mehr bewegen, nicht so oft am Computer sitzen und weniger fernsehen. Aber wenn man alle Gesundheitstipps befolgen würde, wäre man vermutlich den lieben langen Tag damit beschäftigt, Weizenkleie abzuwiegen, Walnüsse zu knabbern und Sudokus zu lösen, sofern man nicht gerade durch die Gegend rennt, als wäre man auf der Flucht, oder stundenlang Yoga und Autogenes Training macht. Gesundheitsvorsorge ist ein Vollzeitjob!
Zum Glück ist ja schon bald Silvester, der Tag der guten Vorsätze. Meinem Arzt brauchte ich damit nicht zu kommen, denn als ich ihm sagte, dass ich übers Joggen ja wenigstens mal nachdenken könne, grinste er nur und murmelte was von „beratungsresistent“ …
Dass das Alter und seine Krankheiten etwas Beunruhigendes, geradezu Erschreckendes hat, wurde übrigens kürzlich in einem Film thematisiert:
The Visit
Becca (Olivia DeJonge) und ihr Bruder Tyler (Ed Oxenbould) fahren zu ihren unbekannten Großeltern (Deanna Dunagan und Peter McRobbie), die auf einer entlegenen Farm in Neuengland leben. Die beiden sind zwar sehr nett, verhalten sich aber merkwürdig, vor allem in der Nacht, weshalb es den Kindern verboten ist, ihr Zimmer zu verlassen. Doch die Geschwister sind neugierig …
Das Alter ist eine Zumutung: Die körperlichen Kräfte lassen nach, manchmal auch die geistigen, was eine Veränderung des Verhaltens zur Folge hat, die insbesondere für die nahen Angehörigen belastend und bisweilen unheimlich ist. Obwohl die Kinder in The Visit ihre Großeltern nicht kennen, erscheint ihnen ihr Benehmen reichlich sonderbar, und sie erklären es damit, dass die beiden eben schon alt sind. Das Thema des Films ist klug gewählt und spielt mit vielen Ängsten, die eine Gesellschaft, in der die Menschen immer älter werden, umtreiben.
Regisseur und Autor M. Night Shyamalan hatte in den letzten Jahren einfach kein Glück mehr mit der Auswahl seiner Stoffe, da lag es vermutlich nahe, zu seinen Anfängen zurückzukehren und einen Gruselfilm aus der Sicht jugendlicher Protagonisten zu drehen. Und der Erfolg gibt ihm Recht. The Visit ist aber ganz anders als The Sixth Sense, er ist weder atmosphärisch dicht genug noch sonderlich gruselig. Abgesehen von zwei, drei unheimlichen und spannenden Momenten plätschert die Story weitgehend unaufgeregt vor sich hin, in der Mitte stellen sich sogar unerfreuliche Längen ein, dabei ist der Film mit neunzig Minuten ohnehin nicht besonders lang.
Die Darsteller der Großeltern agieren gut, sie benehmen sich einerseits so zuckersüß wie Omas und Opas aus dem Bilderbuch, nur um im nächsten Moment eine Hintergründigkeit an den Tag zu legen, bei der es einem schon mal kalt über den Rücken laufen kann. Doch insgesamt hätte man mehr daraus machen können. Olivia DeJonge mausert sich im Verlauf des Films von der Teenager-Zicke zum verletzlichen jungen Mädchen, ihr Film-Bruder jedoch geht einem vom Anfang bis zum Ende auf die Nerven, und seine peinlichen Rap-Versuche, die durch die Synchronisation eher schlimmer werden, sind kaum zu ertragen.
Aus unerfindlichen Gründen entschied sich Shyamalan dafür, den Stoff als Found Footage Film zu inszenieren, inklusive einer extrem wackeligen Parkinson-Kamera. Eine sehr schlechte Idee, zumal diese Art der Inszenierung in letzter Zeit viel zu häufig benutzt wurde.
Wie in The Sixth Sense gibt es auch hier gegen Ende einen überraschenden Twist, der dem Film endlich das nötige Tempo und ein wenig Spannung verleiht. Leider kommt diese Wendung zu spät, um die Geschichte noch retten zu können, zumal sie auch das Leitmotiv konterkariert und die Story ins Abgedroschene kippen lässt. Schade drum.
Note: 4-