Sternkunde

Vorhin habe ich ein wenig in der Fernsehzeitung geblättert und bin dabei auf die Seite mit den Horoskopen gestoßen. Irgendwie wundere ich mich jedes Mal, dass selbst seriöse Tageszeitungen eine solche Rubrik haben, andererseits drucken die meisten ja auch den Wetterbericht ab, der ähnlich verlässlich ist.

Ich fand Astrologie schon immer faszinierend, verstehe davon aber ungefähr so viel wie von Meteorologie. Dass wir vom Mond beeinflusst werden, kann ich ja noch halbwegs nachvollziehen – wenn er Ebbe und Flut verursacht, warum nicht auch Schlafstörungen. Aber die Sterne? Das ist doch buchstäblich ein bisschen zu weit hergeholt. Und dann Tierkreiszeichen. Erstens braucht es schon sehr viel Fantasie, um irgendwelche Tiere in den Sternenhaufen zu erkennen, zweitens hat jede Kultur andere Sternbilder, und drittens werfe ich hier vermutlich wieder einmal alles durcheinander. Wo ist ein guter Astrologe, wenn man gerade einen braucht?

Eine Freundin von mir hat vor Jahren einmal meinen Aszendenten errechnet. Ich bin demnach Löwe, Aszendent Jungfrau. „Jetzt wird mir so einiges klar“, war das erste, was sie danach zu mir sagte. Irgendwie bin ich gleichzeitig extrovertiert und ein Kontrollfreak, jemand, der Ordnung liebt und das Chaos schafft, oder so ähnlich. Ein Blick auf meinen Schreibtisch, und ich hätte dieselbe Antwort geben können.

Wie gesagt, vorhin habe ich mir die Horoskope angesehen und nicht nur meines gelesen, sondern auch die einiger anderer Sternzeichen. Und was soll ich sagen? Ich habe mich von allen angesprochen gefühlt. „Verzetteln Sie sich nicht mit Dingen, die Sie unbedingt zu Ende bringen wollen.“ Genau das ist mein Problem, der Rat geht aber an den Zwilling. „Ihre Fantasie kennt keine Grenzen, und die normalen Alltagsaufgaben sind Ihnen zuwider“, beschreibt haargenau mein Wesen, vor allem nach einem Tag voller Hausarbeit, dabei bin ich kein Wassermann. Und was steht beim Löwen? „Denken Sie doch mal darüber nach, ob Ihr Verhalten immer richtig ist.“ Ja, was soll das denn jetzt heißen? Natürlich ist mein Verhalten richtig. Immer und ganz grundsätzlich. Also, wenn das jetzt kein Beweis für die Unsinnigkeit von Horoskopen ist … So, und für diese Woche bin ich Steinbock.

Nach längerer Pause war ich außerdem mal wieder im Kino. Passend zu den Gedanken über die Sterne gibt es noch die Kritik zu:

Der Marsianer – rettet Mark Watney

In naher Zukunft: Während einer Mars-Mission zieht plötzlich ein gewaltiger Sturm auf. Kommandantin Lewis (Jessica Chastain) befiehlt den sofortigen Abbruch, doch dann wird Astronaut Watney (Matt Damon) von einem Trümmerteil getroffen und in den Sturm geschleudert. Seine Kollegen halten ihn für tot und verlassen ohne ihn den Planeten. Doch er überlebt und muss sich nun alleine in einer lebensfeindlichen Umgebung durchschlagen, Wasser und Nahrung produzieren, die NASA kontaktieren und ausharren, bis Hilfe kommt. Es ist das Abenteuer seines Lebens …

Im 19. Jahrhundert reisten die Abenteurer nach Afrika oder in die Eiswüsten der Pole, um neue Territorien zu erforschen, und so mancher ging dabei verloren und musste sich auf eigene Faust durchschlagen. Diese Robinsonade spielt nun im All bzw. auf dem Mars, folgt aber denselben dramaturgischen Gesetzen: Zuerst verzweifelt Watney an seiner Lage, dann reißt er sich zusammen und kämpft um sein Leben. Wobei die größten Gefahren hier nicht „nur“ wilde Tieren und Eingeborene sind, sondern die gesamte Umgebung außerhalb seiner winzigen, äußerst zerbrechlichen Wohneinheit. Wie überlebt ein Mensch, wenn er weder die Luft um ihn herum atmen noch Nahrung anbauen oder Wasser holen kann?

Zum Glück ist Watney ein echter MacGyver, der als Botaniker sogar Kartoffeln zum Keimen bringt und mit den einfachsten Hilfsmitteln lebenswichtige Geräte zusammenbastelt. Wie er seine Probleme löst, ist spannend und interessant zu beobachten, und es ist dabei auch von Vorteil, dass er nie seinen Humor verliert.

Richtige Spannung kommt dann auch noch etwas später auf, wenn die NASA entdeckt, dass Watney doch nicht ums Leben gekommen ist, und an seiner Rettung arbeitet. Auch hier gibt es findige Menschen, die ungewöhnliche Lösungen für die Probleme finden, wie der Film überhaupt ein einziger Lobgesang auf den menschlichen Geist ist.

Zwei Dinge kommen leider etwas zu kurz: Watneys psychische Belastung wird kaum angerissen; er ist von Anfang bis zum Ende der pragmatische Amerikaner, der an Rückschlägen nur kurz verzweifelt und Hindernisse als Herausforderungen betrachtet. So viel Pioniergeist und uramerikanische Tugend war schon lange nicht mehr auf der Leinwand zu sehen. Zum anderen vermisst man ein wenig die Emotionen. Viele Menschen auf der Erde bangen um sein Leben, man sieht, wie sie Anteil nehmen an Watneys Schicksal, nur seine Familie, seine Eltern tauchen nie auf. Man braucht zwar beides nicht für eine spannende Geschichte über einen außergewöhnlichen Kampf ums Überleben, doch wirkt der Film ohne diese Komponenten leicht steril und zu technisch. Regisseur Ridley Scott scheint es wichtiger zu sein, zu zeigen, wie Watney seine Kartoffeln zum Wachsen bringt, als seine innersten Gefühle darzustellen. Das ist ein bisschen schade, weil es dem Film eine emotionale Tiefe verliehen hätte, wie sie zum Beispiel Gravity besaß.

Note: 2

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.