Am Montag waren wir zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder auf einer Filmpremiere. Normalerweise ist mir das alles zu viel Rummel für einen Film, die Stars bekommt man sowieso nicht aus der Nähe zu sehen, und ich bin auch nicht besonders scharf darauf, über einen roten Teppich zu laufen. Aber diesmal war ich ohnehin in München, weil ich einen Termin bei meinem Verlag hatte, und Filme wie Fack Ju Göhte 2 sollte man am besten in einem vollen Haus sehen, noch besser mit einem gutgelaunten Publikum, wie man es bei einer Premiere anzutreffen pflegt.
Wer schon mal einen Film gedreht hat, weiß, dass die Hauptbeschäftigung aus Warten besteht. Warten darauf, dass das Set eingerichtet ist, Kamera und Scheinwerfer an den richtigen Plätzen stehen und die Schauspieler aus der Maske kommen. Und immer, wenn man denkt, dass man jetzt genug gewartet hat, muss an einem Scheinwerfer noch schnell eine Folie ausgewechselt werden oder irgendjemand hat ein Requisit verschlampt. So ähnlich ist es bei einer Filmpremiere: Man kommt zeitig, um sich einen guten Platz zu sichern, und wartet dann, bis es endlich losgeht. Und immer kommt etwas dazwischen.
Der Andrang war groß am Montag. Ich habe gehört, dass rund zweieinhalbtausend Leute zur Premiere zugesagt hatten, was beweist, welchen Stellenwert der Filmstart genießt. Im unteren Foyer des Mathäser-Kinos herrschte bereits um halb sieben großes Gedränge, neben unzähligen Pressevertretern waren auch jede Menge Fans im Teenageralter anwesend, die einen Blick auf die Stars erhaschen wollten. Und jedes Mal, wenn jemand über den roten Teppich schritt, der halbwegs bekannt war, ging ein Blitzlichtgewitter los. Als Normalo hat man nur dann eine Chance, unfotografiert in den Saal zu gelangen, wenn man bekannte Gesichter meidet. Mein Problem ist jedoch, dass ich die meisten gar nicht erkenne.
Pro7 hat live von der Veranstaltung berichtet, und die Bilder wurden nicht nur ins Internet übertragen, sondern auch in die jeweiligen Säle, in denen wir gebannt auf den Beginn der Veranstaltung gewartet haben. Mit Cola und Popcorn (und einem Schokokuss) war das fast so gut wie der Film selbst. Vor allem auch, weil man ungestört lästern konnte.
Moderiert wurde das Ganze vom unvermeidlichen Steven Gätjen, Pro7s Allzweckwaffe im Entertainmentbereich, der jedes Mal pikiert war, wenn man ihn „Herrn Geißen“ nannte. Muss ich mir merken. Leider hat er auch die Interviews mit den Schauspielern und Regisseur Bora Dagtekin geführt, denn seine Fragen bezogen sich nahezu ausschließlich auf die Erfahrungen während der Dreharbeiten und besonders auf die Durchfallerkrankungen des Teams in Thailand. Wenn wir ein Trinkspiel initiiert hätten, bei dem man jedes Mal einen Schnaps trinkt, wenn einer die Wörter Thailand, Durchfall und Klassenfahrt ausspricht, wären wir alle bereits eine Stunde vor Filmstart blau gewesen.
Gleichzeitig konnten die Fans im Internet ebenfalls Fragen stellen, die dann von einer Kollegin, deren Namen ich bereits wieder vergessen habe, vorgelesen wurden. Und zur Ehrenrettung von Herrn Geißen, äh … Gätjen muss man sagen, dass sie genauso banal waren. Blöd für mich war außerdem, dass sämtliche Schauspieler nur mit ihren Vornamen angesprochen wurden, und ich jedes Mal dachte: Wer zum Teufel ist das eigentlich? Elyas M’Barek und Karoline Herfurth habe selbstverständlich sogar ich erkannt, und bei Jella Haase weiß man wenigstens anhand ihrer markanten Stimme, dass sie im ersten Teil mitgespielt hat, beim Rest war ich mir da nicht mehr sicher.
Im Gegensatz zu mir haben die Fans ihre Idole jedoch sehr wohl erkannt – das Kreischen war vermutlich noch in Pasing zu hören – und wurden mit Fotos und Autogrammen belohnt. Am Ende hatte Pro7 noch eine Handvoll Premierenkarten zu verteilen, und jetzt wurde der Abend erst richtig interessant. Hätte man sie sich darum prügeln lassen, es hätte vermutlich Tote gegeben. Freundschaften gingen in die Brüche, und manche Kinder dachten wohl kurz daran, sich zur Adoption freigeben zu lassen. Zum Beispiel jenes Mädchen, das seit über acht Stunden im Kino ausgeharrt hatte, um einen Blick auf Elyas M’Barek zu werfen. Ihre Mutter war ebenfalls anwesend, und als sie gefragt wurde, ob sie zusammen mit ihrem Kind die Vorstellung besuchen wollte, sagte sie nein – schließlich müssten sie noch ihren Zug erreichen. Das Entsetzen auf dem Gesicht der jungen Dame werde ich wohl nie vergessen. Immerhin konnte die Mutter überredet werden, schließlich hatte sie sich am Morgen schon bereit erklärt, sich „Elyas“ auf die Stirn schreiben zu lassen. Mit Edding. Vermutlich wollte das Töchterlein nicht zu dämlich aussehen, wenn sie sich mit Herrn M’Barek fotografieren lässt. Ich kann dazu nur sagen: Eine Frau, die den ganzen Tag mit dem Namen des Lieblingsschauspielers ihrer Tochter auf der Stirn herumläuft und mit ihr noch auf einer Parkbank übernachtet, weil sie den letzten Zug verpassen, ist für mich die Mutter des Jahres!
Noch dramatischer wurde es, als man einer Gruppe von fünf Leuten vier Eintrittskarten gab. So entstehen vermutlich Feindschaften fürs Leben. Oder als ein zwölfjähriges Mädchen die Chance auf eine Karte erhielt, ihre Eltern aber um Erlaubnis bitten sollte – und nur noch zwei Prozent Akkuleistung hatte. Mit dem Handy einer netten jungen Frau, die eigens aus Frankfurt angereist war, wurde dann zu Hause angerufen, und wieder wollte die Mutter nein sagen. Und erneut konnte sie überredet werden. Was ist nur los mit den Eltern? Ist denn keiner mehr konsequent?
Der Versuch zweier junger Männer, dem Moderator die Karten aus der Hand zu reißen, ging leider nach hinten los. Anscheinend war ihnen der Film dann doch nicht wichtig genug, um dafür eine Prügelei anzufangen …
Ach so, der Film. Über den berichte ich dann ein anderes Mal.