Das Ende der Welt?

Vergangenes Wochenende wurden wir alle gewarnt. Im Briefkasten fand sich ein Zettel, die Hälfte einer DIN A4-Seite, mit einem Ausdruck, der mit „Hinweis + WARNUNG!!!“ überschrieben war. Die Großbuchstaben und drei Ausrufezeichen sollten wohl die Dringlichkeit der Angelegenheit verdeutlichen. Im Grunde geht es um nicht weniger als eine globale Krise riesigen Ausmaßes.

Über die Ursache der Gefahr ist sich der Verfasser nicht ganz schlüssig. Entweder ist es ein Erdbeben, ein gigantischer Vulkanausbruch oder ein Krieg in einem Nachbarstaat, auf jeden Fall eine Naturkatastrophe, wobei ich eine kriegerische Auseinandersetzung nicht zu dieser Kategorie zuordnen würde, aber wollen wir mal großzügig sein. Infolgedessen wird es zu einem Zusammenbruch sämtlicher „Handels- und Wirtschaftsstrukturen“ kommen und zur Schließung der Banken. Zum Glück dauert das alles nur wenige Wochen. Irgendwie ist es ein beruhigender Gedanke, dass selbst der Untergang unserer Zivilisation nicht von Dauer ist. Der Verfasser rät uns daher dringend, uns mit haltbaren Lebensmitteln einzudecken, dabei an genügend Wasser, Medikamente, Kerzen und Batterien zu denken – und die Kosmetikartikel nicht zu vergessen. Wenn wir schon die Apokalypse erleben, dann doch bitte gepflegt. Was trägt man eigentlich bei einem Vulkanausbruch?

Interessant ist der letzte Abschnitt, denn der Verfasser weiß, dass sich seine Warnung wie die eines „verwirrten Spinners“ anhört, daher bittet er darum, dass sich jeder selbst informieren möge. Einige Stichworte für die Internetsuche werden gleich mitgeliefert. Sieht man sich diese näher an, landet man auf Seiten, die Informationen zu diversen Themen anbieten, man kann lernen, wie man gefährliche Krankheiten mit einfachsten Hausmitteln heilt, oder sich über die wahren, aber geheimen Hintergründe über die Krise in Griechenland, den IS und die aktuelle Flüchtlingspolitik informieren. Es sind Sammelbecken von Verschwörungstheoretikern und Propagandisten, die ihre verquere Weltsicht verbreiten wollen. Von Erdbeben oder Vulkanausbrüchen war jedoch nichts zu lesen.

Wer macht sich nur die Mühe, solche „Warnungen“ zu verfassen, zu vervielfältigen und dann auch noch zu verteilen? Vermutlich jemand, der sich auf diesen einschlägigen Internetseiten herumtreibt und jeden Unsinn, den dort jemand verfasst hat, für bare Münze nimmt. Vielleicht war es aber auch nur eine ganz raffinierte Werbeaktion des Supermarkts am Ende der Straße …

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.