Der schwarze Falke

Nachdem ich, wie gestern berichtet, zunächst kein Glück mit meiner Filmauswahl hatte, entschied ich mich als nächstes für einen Klassiker. Vor Wochen, als es um die besten oder beliebtesten Filme aller Zeiten ging und welche man davon noch nicht gesehen hat, tauchte dieser Titel mehrfach auf. Zufällig fand ich ihn im Angebot von SkyGo, allerdings nur noch bis Anfang Oktober, weshalb ich es mir gleich am Samstagabend mit John Wayne gemütlich machte.

Der Schwarze Falke

Ethan Edwards (John Wayne) kehrt drei Jahre nach Ende des Bürgerkriegs nach Texas zurück. Der Südstaaten-Veteran besucht seinen Bruder und dessen Familie. Doch schon am nächsten Tag kommt es zu einem Viehdiebstahl durch Indianer, und Ethan reitet mit der Bürgerwehr los. Dies ist jedoch ein Trick, um die örtlichen Farmen zu überfallen, und als er zurückkehrt, sind sein Bruder, dessen Frau und Sohn tot, und seine beiden Nichten wurden entführt. Zusammen mit Martin (Jeffrey Hunter), dem Ziehsohn seines Bruders, macht Ethan sich auf die Suche – die über fünf Jahre dauern wird …

Dieser Western von John Ford aus dem Jahr 1956 wird in vielen Listen zu den besten Filmen aller Zeiten gezählt, und so waren meine Erwartungen natürlich groß. Ich war nie ein Fan der alten Western, da sie zu sehr ein Schwarz-Weiß-Bild zeichnen mit den heroischen Cowboys auf der einen Seite und den hinterhältigen Indianern auf der anderen. Zumindest dies ist hier anders und die Darstellung der Charaktere differenzierter.

In erster Linie lebt der Film von seinen wunderschönen Landschaftsaufnahmen, entstanden im Monument Valley, im John Ford-Land, das diesmal für Texas herhalten muss. Anfangs- und Schlussszene bilden eine perfekte, programmatische Einheit, die den gesamten Film zusammenfassen und den Charakter des Hauptdarstellers kongenial auf den Punkt bringen. Kein Wunder, dass der Film in visueller Hinsicht als stilbildend gilt und Leute wie Spielberg oder Scorsese zu seinen Fans zählen kann.

Sein Held, John Wayne, die Ikone des Westerns schlechthin, ist hier ein düsterer Geselle, kein Strahlemann, sondern ein gebrochener Soldat, der sich mit der Niederlage des Südens nicht so recht abfinden mag. Drei Jahre sind seit dem Krieg vergangen, drei Jahre, die wie eine offene Wunde in seiner Vergangenheit klaffen, an die keiner zu rühren wagt. Solche Leerstellen gibt es viele in der Geschichte, und sie sind manchmal interessanter als das, was wirklich erzählt wird. Auch explizite Gewalt wird verschämt ausgeblendet, grausame Details selbst im Dialog nur angedeutet – es sind schließlich die Fünfziger.

Manche Details fallen jedoch nur auf, wenn man weiß, wonach man suchen muss: So erfährt man vom Grabstein von Ethans Mutter, dass diese ebenfalls von Indianern getötet wurde, was seinen Hass auf die Comanchen erklärt. Leider ist mir dieses Detail zunächst entgangen, dabei wäre es wichtig zum Verständnis der Figur. Ethan ist ein Rassist, ein Indianerhasser, der einem der bei dem Überfall auf die Farm getöteten und von seinen Kampfgefährten bestatteten Krieger noch die Augen ausschießt – als Schmach für die Hinterbliebenen, da der Tote so nicht in die Ewigen Jagdgründe eingehen kann. Man kann ihn nicht leiden, diesen Ethan, und daran wird sich auch nichts ändern. Dies ist nicht die Geschichte einer Wandlung, obwohl er am Ende doch noch über seinen Schatten springt und – Vorsicht, Spoiler – seine inzwischen halbwüchsige Nichte, die sich an das Leben bei den Comanchen gewöhnt hat und in Ethans Augen deshalb bereits selbst eine Indianerin ist, nicht wie beabsichtigt tötet, sondern rettet. Ihre Schwester ist zu diesem Zeitpunkt bereits lange tot, von Ethan gefunden und begraben. Seine Suche wird somit immer verzweifelter und droht an ihrem Ende gar ins Herz der Dunkelheit zu führen – ungewöhnlich für einen Film dieser Zeit.

Problematisch ist, wie in vielen alten Filmen, die schauspielerische Leistung, die viel expressiver war als wir es heutzutage gewohnt sind. Zudem war John Wayne nie ein feinsinniger Charakterdarsteller, sondern eher die Verkörperung bekannter Western-Klischees: der Naturbursche, der harte Mann. Hinzu kommt, dass es relativ wenige Großaufnahmen gibt, um auf den Gesichtern die Gefühlsregungen ablesen zu können, die durchaus intendiert sind. Und das Method Acting, das Hollywoods Schauspielkunst revolutionierte, steckte noch in den Kinderschuhen – man kann sich denken, was ein John Wayne dazu gesagt haben mag. Interessanterweise war er von seiner Figur so angetan, dass er seinen Sohn Ethan taufte. Unterm Strich ist es auch ein faszinierender Charakter, ungeschönt, nicht überhöht, sondern rau und brutal, wie die Männer jener Zeit, die ganze Völker abgeschlachtet und den Büffel nahezu ausgerottet haben, was beides thematisiert wird. Die Eroberung des Landes ist mehr eine gewalttätige Unterwerfung. Das gesamte Dasein ist ein endloser Kampf, gegen die unerbittliche Natur ebenso wie gegen die Ureinwohner, und den Menschen von damals fehlt schlichtweg die Distanz zu den Ereignissen, um über die Ursachen des Konfliktes zwischen den Völkern nachzudenken. Immerhin, einmal lässt Ford die Indianer selbst zu Wort kommen, wenn der Häuptling als Grund für seinen Überfall die Ermordung seiner Söhne durch Weiße nennt: Die Spirale der Gewalt dreht sich immer weiter.

Nein, man mag diesen Ethan nicht. Man muss ihn auch nicht mögen, aber man kann ihn ein wenig verstehen. Das Leben war hart, und so waren auch die Menschen jener Zeit. Der Wilde Westen wird nicht glorifiziert, sondern als unermüdlicher Kampf dargestellt, in der Hoffnung, dass vielleicht in hundert oder mehr Jahren das Leben besser sein wird. So wird es von einer Pionierfrau im Film selbst beschrieben. Als Sympathieträger gibt es daher den jungen Martin, eine neue Generation, mitfühlender, aber auch ein Träumer, der noch viel lernen muss.

Der deutsche Titel von The Searchers wurde übrigens vor kurzem noch in einem Artikel als Beispiel für die Unsinnigkeit, Filmen für den hiesigen Markt neue, teilweise unpassende Titel zu geben, angeführt. Der schwarze Falke ist der Häuptling, der die Mädchen entführt, spielt aber so gut wie keine Rolle – und heißt im Original wegen einer auffälligen Narbe im Gesicht Scar. Deshalb sagt auch Ethan bei ihrer ersten Begegnung, dass er sehen könne, warum er so heißt – was in der Übersetzung nun gar keinen Sinn mehr ergibt …

Eines ist sicher: Der Film wird für mich nicht zu den besten aller Zeiten gehören, aber je länger man sich mit ihm beschäftigt, desto mehr gibt er preis. Vieles ist gut durchdacht, allerdings nicht immer gut umgesetzt, vielleicht sind unsere Sehgewohnheiten heute aber auch andere. Die Geschichte besitzt auf jeden Fall jede Menge ungenutztes Potential – vielleicht wird es daher Zeit für ein Remake, das mehr auf die Hintergründe und die Figuren eingeht und differenzierter mit der Geschichte umgeht. True Grit hat das ja erfolgreich vorgemacht.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.