Ich liebe Miniserien. Manche Stoffe sind einfach zu komplex, um sie in Spielfilmlänge zu erzählen, lassen sich aber nicht zu einer Serie ausbauen, die über mehrere Jahre läuft. Früher wurden Miniserien zu großen TV-Events, die mehrere Generationen vor den Fernsehschirmen versammelt haben. Ich denke da an Roots, Die Dornenvögel oder Shogun. Von Fackeln im Sturm gab es sogar eine Fortsetzung. Und in gewisser Weise sind neue Serien wie True Detective oder Fargo mit ihren von Staffel zu Staffel wechselnden Hauptfiguren und jeweils abgeschlossenen Geschichten ebenfalls eher Miniserien …
Gerne geht es in ihnen um historische Themen, die fiktional aufbereitet werden und so ein breiteres Publikum ansprechen, oder sie beschäftige sich mit interessanten historischen Persönlichkeiten. Beliebt bei den Amerikanern sind Stoffe wie Die Kennedys oder John Adams über bekannte Präsidenten oder moderne Western wie Hatfields und McCoys über die legendäre Fehde zweier Familien. Die Briten mögen vor allem ihre Literaturverfilmungen wie Große Erwartungen, Bleak House oder Klein Dorrit von Charles Dickens, die Jane Austen Klassiker Sinn und Sinnlichkeit, Emma und Northanger Abbey und viele andere mehr.
Die Version von Stolz und Vorurteil mit Colin Firth aus den Neunzigern genießt inzwischen einen geradezu legendären Ruf (und ist auch meiner Meinung nach auch die beste Verfilmung des Stoffes). Sie – und die Vorlage selbstverständlich – inspirierten wiederum die freche Miniserie Wenn Jane Austen wüsste über eine junge Frau unserer Zeit, die sich unversehens in dem berühmten Roman wiederfindet. Aber das nur so am Rande …
Zu meinen Lieblings-Miniserien gehören übrigens Mord auf Seite Eins (aus dem der bei weitem nicht so gute Film State of Play – Stand der Dinge wurde), Into the West, Rome, Das verschwundene Zimmer, Mildred Pierce und – mit einigen Abstrichen und ohne erneute Sichtung – Oliver Stones Wild Palmes. Und seit neuestem auch:
Olive Kitteridge
Olive ist kein einfacher Mensch, sie ist launisch, vermutlich depressiv – sie weiß, das liegt in der Familie, seit ihr Vater sich das Leben genommen hat – und auf beinahe schon aggressive Weise offen und ehrlich zu den Menschen. Schöntun liegt ihr nicht, Schmeicheleien auch nicht, weshalb sie häufig mit anderen in Konflikt gerät. Als Film- oder Romanfigur ist sie deshalb großartig, persönlich möchte man ihr dagegen lieber nicht begegnen.
Die Mini-Serie erzählt ein Vierteljahrhundert aus der Ehe zwischen Olive und Richard, sie ist Lehrerin, er Apotheker, sie leben mit ihrem Sohn in einer Küsten-Kleinstadt in Maine. Also ungefähr dort, wo die Romane von Stephen King angesiedelt sind, und bisweilen ist die Atmosphäre in dem Örtchen schon recht beklemmend. Überall nur Depressive, Selbstmörder und andere Gestörte, möchte man meinen. Viele Nebenfiguren gibt es leider nicht, einige tauchen nur in ein, zwei Folgen auf und verschwinden dann wieder, ohne dass man noch etwas von ihnen hört, von anderen erfährt man wenigstens noch ganz kurz, was aus ihnen geworden ist, in der Regel nichts Gutes.
Als ich zum ersten Mal von der Serie gehört habe, dachte ich, das wird ein etwas dröges, sperriges und aus unerfindlichen Gründen hochgelobtes Stück Fernsehen, das anzusehen nicht gerade glücklich macht, ein bisschen wie Empire Falls, das von der Kritik gefeiert wurde, mich aber trotz der Top-Besetzung kalt gelassen hat. Und schon der Anfang von Olive Kitteridge verheißt nichts Gutes, denn Olive geht in den Wald, wie es aussieht, um sich dort zu erschießen. Dann wird zurückgeblendet. So weit, so deprimierend.
Meiner Voreingenommenheit zum Trotz bin ich dennoch drangeblieben und wurde aufs Schönste belohnt: Wunderbare Schauspieler verleihen den teilweise sehr skurrilen Charakteren Leben, allen voran Frances McDormand und Richard Jenkins als ungleiches Ehepaar und Bill Murray in einer feinen Nebenrolle. Es gibt einige hinreißende Szenen, darunter ein Raubüberfall, der an Witz und Dramatik seinesgleichen sucht, und die eine oder andere Überraschung, mit der man nicht gerechnet hätte.
Die eher episodische Struktur ist der literarischen Vorlage geschuldet, die ebenfalls eher eine Sammlung von Geschichten mit denselben Charakteren ist als ein Roman. Und das ist meine zweite Überraschung: Der Autorin Elizabeth Strout habe ich wohl Unrecht getan, indem ich sie immer der allzu gefühlsduseligen Nicholas Sparks-Fraktion zugeordnet habe, zumindest machte diese Verfilmung mich neugierig auf mehr aus ihrer Feder. Mit Blick aufs Meer heißt übrigens der deutsche Buchtitel der Vorlage.
Wen die melancholische Grundstimmung nicht schreckt und wer Freude an skurrilen Charakteren hat, kommt hier auf seine Kosten. Olive Kitteridge ist eine wunderbare Geschichte über das Leben, das Altern, die Familie, besonders die Ehe, sowie über Dinge, die wir erst wirklich zu schätzen lernen, wenn wir sie verloren haben.