Unter Beobachtung

So vorteilhaft es auch ist, ständig über einen Vorrat an Filmen zu verfügen, auf den man zurückgreifen kann, es gibt auch Nachteile. Bei SkyGo zum Beispiel stehen die Filme manchmal nur für einen relativ kurzen Zeitraum bereit, je nachdem, welche Lizenzen erworben wurden, und wenn man den einen oder anderen noch sehen will, muss man sich mitunter beeilen.

Dass es keine Werbeunterbrechung gibt, ist zweifelsfrei ein riesiger Vorteil. In meinem Fall hat das aber auch den unerwünschten Effekt, dass ich selten bereit bin, einen Film abzubrechen, wenn er mir nicht gefällt. Nur wenn er wirklich schlecht ist oder ich mich sehr langweile, schalte ich aus, im Gegensatz zum Fernsehen, wo ich häufig eine Werbepause dazu benutze, mich ganz auszuklinken. Im Grunde ist es ärgerlich, weil man mit seiner knapp bemessenen Freizeit wirklich Besseres anzufangen wüsste, als sich etwas anzusehen, was einem nicht gefällt, andererseits kann man als Autor auch von schwachen Geschichten immer etwas lernen. Wie zum Beispiel von:

Unter Beobachtung

Ein furchtbarer Terroranschlag mit über hundert Toten erschüttert London. Nach dem Selbstmord eines Kollegen wird Martin Rose (Eric Bana) mit der Verteidigung des einzigen überlebenden Verdächtigen (Denis Moschitto) beauftragt. Da viele Beweise als geheim eingestuft werden, wird mit Claudia Simmons-Howe (Rebecca Hall) eine zweite Anwältin damit betraut, diese zu sichten, um zusammen mit dem Richter gegebenenfalls deren Freigabe zu erwirken. Leider dürfen die beiden nicht miteinander reden und sich über den Fall austauschen, was sehr bald zu einem Problem führt, denn Rose entdeckt, dass der Geheimdienst einiges zu verbergen hat …

Die Feinheiten der britischen Justiz sind für Außenstehende nicht leicht zu verstehen, werden aber ganz gut erklärt, so dass man der relativ komplizierten Geschichte leicht folgen kann. Und die ist zu Beginn richtig spannend und gut gemacht. Doch leider hält der Rest des Films nicht, was die erste Viertelstunde versprochen hat. Trotz guter Darsteller kommt man den Figuren nicht wirklich nahe, sie bleiben blass und konturlos und lassen keine Emotionen aufkommen.

Je länger der Film dauert und je geheimnisvoller und bedrohlicher das Szenario werden soll, desto weniger Sinn macht das Ganze. Das Drehbuch wirkt zusammengestoppelt und versucht, die allgemeine Paranoia nach dem NSA-Skandal aufzugreifen, hinkt dabei aber permanent hinter der sehr viel skandalöseren Realität hinterher.

Bemerkenswert ist an dem Film eher, inwieweit er sich von früheren Verschwörungsthrillern unterscheidet. Auch früher wurde der Staatsmacht misstraut und wurden die Dienste, die uns eigentlich schützen sollten, als Bösewichter enttarnt. Doch waren es damals mehr oder weniger Einzeltäter, die ihre Macht missbraucht haben, sind es nun die Organisationen an sich, denen man nicht mehr vertrauen kann. Hinzu kommt, dass es nicht mehr unerschrockene Journalisten sind, die als Helden fungieren, sondern – in diesem Fall – Anwälte. Zwar kommt in Unter Beobachtung noch eine Reporterin vor, gespielt von Julia Stiles, die an dem Fall arbeitet, aber sie verschwindet nach nur einer Szene von der Bildfläche. Der investigative Journalismus scheint von Hollywood zu den Akten gelegt worden zu sein, und Blogger sind wohl nicht sexy genug …

Note: 4

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.