Seit einigen Jahren liest man immer wieder, dass wir uns gerade im goldenen Zeitalter des Fernsehens befinden. Es begann in den Neunzigern mit inzwischen zu Klassikern erhobenen Formaten wie The Wire und The Sopranos und dauert immer noch an – obwohl manche behaupten, es habe seinen Zenit bereits überschritten. Natürlich hat es auch davor schon gute Serien gegeben, nur eben nicht so viele zur gleichen Zeit.
Aber hier soll es heute nicht um Serien im Allgemeinen gehen, sondern um eine ganz bestimmte. Da ich in letzter Zeit relativ selten ins Kino komme (weil ich es nicht rechtzeitig zu den Anfangszeiten schaffe oder sogar den weiten Weg ganz scheue) und immer weniger Filme entdecke, die mich interessieren, schaue ich lieber Serien. Aus diesem Grund werde ich in nächster Zeit die eine oder andere, die ich gerade gesehen habe, vorstellen. Den Anfang macht, da gerade die erste Staffel endete:
Wayward Pines
Ein Auftrag führt Secret Service Agent Ethan Burke (Matt Dillon) nach Idaho, wo zwei seiner Kollegen vermisst werden. Eine davon ist Kate Hewson (Carla Gugino), mit der er ein Verhältnis hatte. Als er nach einem Unfall in Wayward Pines erwacht, fühlt er sich wie in einem bizarren Alptraum: Die hübsche Kleinstadt ist von hohen Bergen und einem Zaun umgeben, die übrigen Bewohner hat es auf ähnliche Art und Weise wie ihn hierher verschlagen, und keiner darf den Ort verlassen. Erinnerungen an das alte Leben sind verpönt, und wer gegen die Regeln verstößt, wird öffentlich hingerichtet. Auch die Zeit scheint hier anders abzulaufen, denn während Ethan seine Kollegin erst vor wenigen Wochen gesehen hat, behauptet Kate, bereits seit über zehn Jahren hier zu leben …
Nach dem großen Erfolg von Lost hat es eine ganze Reihe von Mystery-Serien gegeben, in denen es um rätselhafte Vorkommnisse oder düstere Geheimnisse geht, doch die meisten konnten den in sie gesetzten Erwartungen nicht gerecht werden. Bei solchen Serien steht und fällt das gesamte Konzept mit dem Geheimnis und seiner Auflösung. Je größer das Geheimnis, desto größer sind auch die Erwartungen, dauert es aber zu lange, bis es enthüllt wird, verliert der Zuschauer unter Umständen die Lust, ist die Auflösung enttäuschend, ist es sogar ärgerlich. Es muss genügend Hinweise auf des Rätsels Lösung geben, aber auch Überraschungen und unerwartete Wendungen, die alles in einem anderen Licht erscheinen lassen. Und wenn es auch sonst noch spannend zugeht, umso besser.
Wirklich perfekt ist leider keine dieser Serien, auch Wayward Pines nicht. Die Grundidee wirkt vertraut und ein wenig überstrapaziert, und die ersten Folgen sind entsprechend ein wenig langatmig geraten. Die Figuren müssen eingeführt werden, und dabei stößt man auf überraschend viele bekannte Gesichter: Juliette Lewis, Melissa Leo, Toby Jones, Terrence Howard und Hope Davis heben das Niveau der Serie über das Gros hinaus. Viele sind abgründige Charaktere, die etwas zu verbergen haben oder finstere Absichten verfolgen, und auch das steigert die Spannung. Und viele von ihnen überleben die erste Staffel nicht. Scheinbar haben die Macher – einer der Produzenten ist übrigens M. Night Shyamalan –von Games of Thrones gelernt.
Nach der ersten Hälfte kommt dann die größte Überraschung: Das Geheimnis wird gelüftet und ist so unglaublich, dass man sich unwillkürlich fragt, ob es wirklich die Erklärung für all die merkwürdigen Vorkommnisse ist oder nur ein weiterer Twist in der Handlung. Ohne hier zu viel zu verraten: Mir ist es zunächst schwer gefallen, mich auf diesen Wechsel einzulassen, und genau aus diesem Grund musste er auch so früh etabliert werden. Wenn man sich dann auf die weitere Story einlässt, erlebt man, dass alles zuvor Gesehene plötzlich auf den Kopf gestellt wird: Das Gefängnis wird zur Zuflucht, die Helden verwandeln sich in Bösewichter und umgekehrt.
Wie alle guten Geschichten besitzt Wayward Pines auch eine interessante Metaebene. Es geht um das prekäre Wechselspiel von Freiheit und Sicherheit, das seit 9/11 immer wieder thematisiert wird und nach wie vor aktuell ist, aber auch um staatliche Willkür und die Manipulation der Wahrheit zum vermeintlichen Schutz der Bürger. Es wird vieles angesprochen, was unsere Welt im Augenblick bewegt. Grundlage der gesamten Staffel sind übrigens drei Romane von Blake Crouch.
Ebenfalls nicht ganz unerheblich: Von Folge zu Folge steigert sich die Spannung. Das Finale ist geradezu nervenaufreibend, und das Ende stellt erwartungsgemäß erneut alles auf den Kopf. Ob das gelungen ist oder nicht, wird sich im nächsten Jahr erweisen, wenn die zweite Staffel startet. Ich bin dabei.