Der Sturm, der vergangenes Wochenende über das Land gefegt ist, war wie ein Vorbote des Herbstes – kalt, ungemütlich und verdammt nass. Ideales Wetter also, um ins Kino zu gehen, wofür mir leider die Zeit fehlte, oder sich wenigstens einen Film im Fernsehen anzuschauen. Bezeichnenderweise laufen gerade sogar ein paar Produktionen, die man sich ansehen kann. Haben die Sender früher ihre teuren Einkäufe zu den Feiertagen gezeigt, hauen sie ihre Ware nun im Sommer raus. Ein Highlight wie Ziemlich beste Freunde wäre vor zwanzig oder dreißig Jahren niemals an einem Montagabend im Juli gelaufen, sondern Ostern oder Weihnachten oder zumindest an einem Wochenende. Die vielbeschworene verkehrte Welt gilt eben nicht nur fürs Wetter …
Ich entschied mich am Samstagabend für einen Film bei Vox:
Zeit zu leben
Der großspurige Sam (Chris Pine) hat Ärger im Job, nachdem er einen dicken Fehler gemacht hat, und dann stirbt auch noch sein Vater, zu dem er seit jeher ein angespanntes Verhältnis hatte. Widerwillig reist er nach L.A., tröstet seine Mutter (Michelle Pfeiffer) und erlebt eine Überraschung: Sein Vater hatte eine uneheliche Tochter (Elizabeth Banks), die sich allein mit ihrem kleinen Sohn durchschlägt. Ausgerechnet sie sollen eine große Summe Bargeld erben, obwohl Sam das Geld selbst sehr gut gebrauchen könnte. Bevor er ihnen das Erbe überlässt, möchte er sie jedoch kennenlernen – inkognito …
Die Grundkonstellation kennt man zur Genüge: Der Held lernt jemanden kennen, mit dem er entweder verwandt ist oder zu dem er sonst in einer schicksalhaften Verbindung steht (häufig hat er den Partner des Betreffenden bei einem Unfall getötet), man kommt sich näher (oder verliebt sich), bis die Enthüllung der Wahrheit alles noch viel schlimmer macht, bevor er dank einer charakterlichen Läuterung schließlich alles in Ordnung bringt. Zeit zu leben funktioniert nach genau diesem Schema und ist damit vorhersehbar wie das Wetter in Los Angeles. Die Drehbuchautoren Alex Kurtzman, Roberto Orci und Jody Lambert greifen tief in die Klischeekiste und basteln sich einen Plot zusammen, der tadellos funktioniert, aber leider überhaupt keine Überraschungen oder Ecken und Kanten besitzt.
Dass die Geschichte dennoch sehenswert ist, liegt einzig und allein an dem hervorragenden Ensemble, das es schafft, aus den stereotypen Charakteren liebenswerte Figuren zu formen. Chris Pine geht einem am Anfang zwar gehörig auf die Nerven, entwickelt dann aber ungeahntes Feingefühl. Elizabeth Banks zeigt sich gewohnt kämpferisch und selbstironisch, und Michelle Pfeiffer meistert ihre undankbare Rolle als betrogene Ehefrau mit Herzkrankheit (!) mit ebenso viel Würde wie Charme. Insgesamt eine überzeugende Leistung. Das Überraschendste ist jedoch das Ende, wenn es der Film in der letzten Szene doch noch schafft, einen zu Tränen zu rühren und einen unvergesslichen Moment zu kreieren.
Note: 3