Nachdem ich mich in den letzten Tagen über meine Lücken in der Filmgeschichte ausgelassen habe, handelt der heutige Beitrag von einem Meisterwerk, das jeder Cineast eigentlich gesehen haben sollte. Von Mitte der Achtziger an waren die Merchant-Ivory-Filme für eine Dekade beinahe schon eine Klasse für sich: aufwändige, elegante und hochkarätig besetzte Literaturverfilmungen, die im Milieu des britischen Landadels und des Großbürgertums des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts angesiedelt sind. Die Vorlagen stammen von Henry James (Die Europäer, Die Damen aus Boston) und E.M. Foster (Zimmer mit Aussicht, Maurice und Wiedersehen in Howards End).
Wie Henry James ist auch James Ivory gebürtiger Amerikaner, und zusammen mit seinem indischen Produzenten Ismail Merchant und seiner deutsch-polnischen Drehbuchautorin Ruth Prawer Jhabvala schuf er Filme, die vollkommen britisch waren. Der für mich beste davon ist:
Was vom Tage übrig blieb
James Stevens (Anthony Hopkins) ist seit Jahrzehnten Butler auf Darlington Hall und versieht seinen Dienst voller Pflichteifer und Loyalität. Mitte der Fünfzigerjahre ist vom Glanz alter Zeiten jedoch nichts mehr übrig, und ein Amerikaner (Christopher Reeves) ersteigert das Anwesen. Unverhofft erhält Stevens einen Brief von der ehemaligen Haushälterin Miss Kenton (Emma Thompson), die sich mit ihm treffen möchte. Auf der Reise erinnert er sich an ihre gemeinsame Zeit vor zwanzig Jahren …
Die Geschichte ist, anders als bei den übrigen historischen Merchant-Ivory-Produktionen, vor allem in den Dreißigern angesiedelt, als die britische Aristokratie bereits dem Ende ihres privilegierten Daseins entgegendämmerte. Die Vorlage stammt von Kazuo Ishiguro – und damit ebenfalls von keinem Briten.
Noch kann der Standard jedoch aufrechterhalten werden, den die adeligen Besitzer gewohnt sind. Heerscharen von Dienstboten kümmern sich um Haus und Garten und die zahlreichen Gäste des Lords (James Fox). Dieser kokettiert mit den Nazis in Deutschland, wie viele Angehörige seiner Schicht, und lädt zu einer internationalen Konferenz ein. Später wird man ihn als Nazi-Sympathisanten beschimpfen – und Stevens gleich mit beleidigen.
Dabei war der Butler seinem Herrn stets loyal ergeben, ohne dessen Motive oder die Redlichkeit seiner Anliegen zu hinterfragen. Politik interessiert ihn ebenso wenig wie die Gefühle, die Miss Kenton ihm entgegenbringt. Doch die Pflicht ist eine strenge Herrin, und Stevens opfert ihr am Ende alles, seine Zuneigung zu Miss Kenton ebenso wie jedes andere Gefühl. Emotionen haben in seiner wohlgeordneten Welt einfach keinen Platz.
Erst spät wird Stevens all dies bewusst, wenn er sich auf den Weg zu Miss Kenton macht, die inzwischen verwitwet ist und die er überreden will, nach Darlington Hall zurückzukehren, zu ihm zurückzukehren.
Der Film funktioniert auf mehreren Ebenen, er ist ein treffendes Sittengemälde, ein politisches Drama, aber auch eine Liebesgeschichte voller unterdrückter Gefühle. Es gibt etliche zarte, sublime Szenen, die einem noch lange im Gedächtnis bleiben, wunderbare Dialoge und stellenweise sogar eine Prise Humor. Vor allem besticht der Film jedoch durch die herausragende Schauspielkunst von Anthony Hopkins und Emma Thompson, die mit einer winzigen Geste, einem Blick mehr erzählen können als andere Schauspieler in einem ganzen Film.
Note: 1