Ninotschka

Mark G. und ich sehen von Zeit zu Zeit zusammen mit seinen erwachsenen Nichten und Neffen alte Filme an. Für uns die beste Gelegenheit, sich mal wieder mit einigen Klassikern auseinanderzusetzen, für die jüngere Generation hingegen eine Begegnung mit einer fremden Welt. Filme in Schwarzweiß? Ohne aufwendige Spezialeffekte, perfekten Dolbysound und schnelle Schnitte? Das letzte Mal sahen wir Bus Stop, und obwohl jeder von ihnen Marilyn Monroe kannte, war es für manche der erste Film mit ihr.

Alles hat seine Zeit. Hollywood gibt es seit über hundert Jahren, und genauso lange gibt es auch Stars. Menschen, die zu ihrer Zeit so berühmt waren, dass jeder ihren Namen kannte, deren Gesichter von den Zeitschriftencovern lächelten und die von den Massen umjubelt wurden, wenn sie anlässlich einer Filmpremiere über den roten Teppich schritten. Menschen, an die sich heute kaum noch jemand erinnert. Wenn sie sehr berühmt waren, erinnert man sich vielleicht noch vage an ihre Namen, aber ihre Filme kennen nur noch Cineasten.

Ich habe schon häufiger darüber geschrieben, dass ich es traurig finden, dass die alten Filme nicht mehr im Fernsehen zu sehen sind. Aber hin und wieder tauchen sie noch auf, im Spätprogramm, auf Arte oder auf den Dritten Programmen. Klassiker der Filmgeschichte wie:

Ninotschka (USA 1939)

Drei Abgesandte aus Moskau sollen in Paris die Juwelen einer Großfürstin verkaufen – und erliegen den Verlockungen des dekadenten Westens. Um sie wieder auf Kurs zu bringen, wird die regimetreue Kommissarin Ninotschka (Greta Garbo) entsandt. Kaum in Paris angekommen, begegnet ihr der äußerst charmante Graf d’Algout (Melvyn Douglas), der vehement um sie wirbt. Ninotschka lässt das amüsiert zu, schließlich ist Liebe ja nur ein chemischer Prozess, doch am Ende verliebt sie sich doch. Und muss feststellen, dass ihr neuer Freund ausgerechnet der Anwalt der Großfürstin ist …

Der beste Satz des Films fällt gleich nach Ninotschkas Ankunft in Paris, als sie zu den Massenerschießungen in Moskau zynisch bemerkt: „Es gibt jetzt weniger Russen, aber dafür bessere Russen.“ Man merkt sofort, diese Frau steht voll und ganz hinter dem Regime und mit ihr ist nicht gut Kirschen essen. Das muss auch Graf d’Algout feststellen, der im Krieg der Geschlechter zunächst ganz schlechte Karten hat.

Zugegeben, man hat schon einen pointierteren Schlagabtausch gesehen, etwa in dem aus dem Vorjahr stammenden Film Leoparden küsst man nicht, dennoch ist Lubitschs Komödie auch heute noch ein amüsanter Spaß, was in erster Linie dem spröden Charme seiner Hauptdarstellerin zu verdanken ist, die wie ein weiblicher Buster Keaton agiert (noch so ein beinahe in Vergessenheit geratener Name). Es war die erste Komödie der ansonsten auf Dramen festgelegten Garbo, deren Stern zu jener Zeit bereits zu sinken begann. Entsprechend wurde der Film auch vom Studio beworben: „Garbo laughs!“

Jahre vor Beginn des Kalten Krieges ist es auch ein Beitrag Amerikas zur Verteidigung des Kapitalismus als die bessere, weil lebensbejahendere Lebensart. So wundert es nicht, dass am Ende sogar die regimetreue Ninotschka dem freudlosen Kommunismus abschwört – natürlich der Liebe wegen …

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.