Wer erinnert sich noch daran: Früher, also in „der guten alten Zeit“, jenem imaginären Fluchtpunkt für Nostalgiker, gab es nicht nur richtige Sommer, sondern auch etwas, das man „saure Gurken-Zeit“ nannte. Steht sogar im Duden, und laut Wikipedia, das ja den guten, alten Brockhaus abgelöst hat („gut“ und „alt“ scheinen wirklich enge Freunde zu sein) geht der Begriff wahlweise auf einen Zeitraum zurück, in dem entweder nur wenige Lebensmittel und wenn, dann vor allem sauer eingelegte Gurken verfügbar waren, oder es ist die Verballhornung eines jiddischen Begriffs, ähnlich wie der „gute Rutsch“, den man sich zu Silvester wünscht und der ja in seinem Ursprung auch etwas anderes bedeutet.
In jener Zeit also gab es etwas, das man sich im heutigen Internetzeitalter gar nicht mehr vorstellen kann: Es passierte wochenlang gar nichts. Die Tage tröpfelten so vor sich hin, man lag in der Sonne, las ein Buch, ging schwimmen oder langweilte sich. Und wenn Menschen sich langweilen, kommen sie auf seltsame Ideen. Politische Hinterbänkler, die die urlaubsbedingte Abwesenheit der Schwergewichte und das Bedürfnis der Journalisten, ihre Blätter zu füllen, ausnutzten, posaunten die Vorschläge, die ihnen beim Sonnenbaden, Schwimmen oder Langweilen gekommen waren, in jedes Mikrofon, das sie erblickten: Mallorca sollte doch bitteschön unser siebzehntes Bundesland werden, hieß es einmal, oder es wurde eine Steuer auf Gummibärchen vorgeschlagen.
Irgendwann wurde aus dem eher altbackenen Begriff „saure Gurken-Zeit“ dann das „Sommerloch“, in dem jede Menge Schwachsinn produziert werden konnte, ohne ernsthafte Schäden zu hinterlassen. Vielleicht meint der Begriff aber auch jenes Vakuum im Gehirn mancher Politiker, das sich im Sommer weiter ausdehnt. Nicht zu verwechseln mit dem Ozonloch, von dem man heutzutage auch nicht mehr viel hört.
Und wenn nicht genug Polit-Unsinn verzapft wurde, gab es immer noch jede Menge Tiere, die für Schlagzeilen sorgten: Gerne wurde in jener Zeit das Ungeheuer von Loch Ness gesichtet oder ein Krokodil, das Badeseen unsicher machte. Was waren das noch für herrliche Zeiten! Heute wird man nicht mehr von eingebildeten Ungeheuern gefressen, sondern läuft Gefahr, beim Sonnenbaden am Strand von Extremisten erschossen zu werden. Oder man sitzt in einer griechischen Taverne und beobachtet, wie das Land um einen herum langsam im Chaos versinkt. Oder man schippert übers Mittelmeer und sieht zu, wie syrische Bürgerkriegsflüchtlinge von der europäischen Marine vor dem Ertrinken gerettet werden.
Jetzt ist der Sommer endlich da, und ich würde gerne in der Sonne liegen, mich bei den Nachrichten im Fernsehen langweilen und über depperte Ideen von Politikern amüsieren. Doch auch wenn die Polit-Kaste manchmal nur noch aus Hinterbänklern zu bestehen scheint, so richtig lustig sind ihre Ideen nicht mehr. Zum Lachen ist einem wahrlich nicht mehr zu Mute in diesen schlechten, neuen Zeiten. Ach, ich vermisse Nessie!