Epilog

Nun ist es offiziell: Der Urlaub ist vorbei, der Alltag hat uns wieder – und der Jetlag hat uns voll im Griff. Meine innere Uhr ist vollkommen gestört, nachts bin ich hellwach, aber wenn ich im Morgengrauen ins Bett gehe, schlafe ich trotzdem nur drei, vier Stunden, obwohl es in Kalifornien eigentlich Nacht wäre. Ein kurzes Nickerchen am Nachmittag entwickelt sich dafür zu einem stundenlangen Koma, an dessen Ende ich kaum noch weiß, wo ich bin. Dafür träume ich inzwischen wieder zu hundert Prozent auf Deutsch, allerdings immer noch seltsame Dinge: Gestern bin ich mit einem Stuhl aus dem Wartebereich eines Friseursalons durch die Stadt geirrt – was will mir mein Unterbewusstsein wohl damit sagen? Dass ich dringend einen Haarschnitt brauche und desorientiert bin? Hätte ich auch so gewusst.

Eine Herausforderung vor dem Rückflug war vor allem das Packen. Wie schafft man es, ungefähr vierzig Kilogramm Gepäck so zu verteilen, dass man keine horrenden Gebühren für einen zweiten Koffer zahlen muss? Man muss kreativ sein. Tatsächlich endete es damit, dass ich Winterschuhe trug und eine dicke Jacke über dem Arm hängen hatte, deren Taschen mit diversen Dingen vollgestopft waren. Dito meine Laptoptasche, und mein Handgepäck war auch um einiges schwerer als erlaubt. Dafür wog mein Koffer exakt die vorgeschriebenen dreiundzwanzig Kilo. Und natürlich wurde er vom amerikanischen Zoll durchsucht. Ich weiß auch nicht, warum sie ständig meinen Koffer herauspicken, das war bereits das dritte Mal in sechs USA-Aufenthalten und hinterlässt immer ein ungutes Gefühl, wenn man weiß, dass jemand in seinen persönlichen Dingen herumgewühlt hat (im Koffer liegt dann eine Benachrichtigung).

Im Nachhinein frage ich mich natürlich auch, warum ich so viele warme Sachen mitgenommen habe. Irgendwie hatte ich wohl erwartet, dass Kanada eine Eishölle sein würde oder näher am Nordpol liegt. Okay, die Winterschuhe habe ich tatsächlich zwei oder drei Mal getragen, doch ich wäre auch ohne sie durch den Schnee zum Peyto Lake gekommen. Aber einen Schal und warme Unterwäsche? Was habe ich mir dabei gedacht? Na ja, hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.

Nun wird es Zeit, ein kleines Fazit zu ziehen. Es war ein toller Urlaub, voller anregender, lustiger, mitunter auch nachdenklich stimmender Erlebnisse in drei Ländern. Wir sind über fünfzehntausend Kilometer mit dem Auto gefahren – bis zum chinesischen Meer hinter Peking sind es dagegen „nur“ etwa zehneinhalbtausend Kilometer, und ich käme vermutlich niemals auf die Idee, dorthin mit dem Auto zu fahren. Wir haben viele nette Menschen kennengelernt, alte Freunde wiedergesehen und neue Freundschaften geschlossen. Wir haben vermutlich jeden schneebedeckten Berg in Westkanada fotografiert, dazu noch mehr blaue und grüne Seen, als ich zählen kann, und mir graut es schon jetzt davor, die neuntausend Bilder zu sichten, um daraus ein Fotobuch zu erstellen. Vielleicht wird es ja vor dem nächsten Urlaub fertig.

Vermutlich werde ich in den nächsten Wochen jeden mit meinen Reiseberichten nerven, von den Bären erzählen, die neben unserem Wagen herliefen, von den zahmen Erdmännchen, die einem buchstäblich auf die Pelle rückten, den Dickhornschafen, die sich gern fotogen in Positur brachten – meist vor dem Hintergrund einer Mülltonne. Ich habe bereits einem Freund von der Ziege vorgeschwärmt, die wir in Mexiko gegessen haben, bis mir einfiel, dass er Vegetarier und Tierschützer ist.

Es ist schön, wieder in der alten Heimat zu sein, die Menschen wiederzusehen, die man vermisst hat, die Orte zu besuchen oder die Dinge zu essen, die einem gefehlt haben. Nach etlichen Wochen im dürregeplagten Kalifornien erscheint einem hier alles geradezu obszön grün, und es ist schön, endlich wieder Kirchenglocken zu hören, einen Döner zu essen oder Brot, das diesen Namen auch verdient. Oder einfach nur chlorfreies Wasser zu trinken oder einen anständigen Tee daraus zu kochen.

Urlaub ist was Wunderbares – und jetzt muss ich mich erst einmal davon erholen …

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2015 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.