Der Wander-Marathon geht in die zweite Runde: Am Dienstag verließen wir bereits um kurz nach sieben Uhr das Hotel, um nach Kanab in Utah zu fahren. Von dort aus lässt sich prima der Südwestteil von Grand Staircase Escalante erkunden, dem wir vor anderthalb Jahren bereits einmal einen Besuch abgestattet hatten. Leider bekamen wir damals nicht allzu viel davon zu sehen, da unser Mietwagen nicht geländegängig war. Diesmal waren wir jedoch im SUV unterwegs und wagten uns an eine Wanderung im Bull Valley Gorge.
Der Weg dorthin führt buchstäblich über Stock und Stein, vor allem über eine holperige Sandpiste, vorbei an glücklichen Rindern mit niedlichen Kälbchen. Der Unterschied zum Vortag war auf den ersten Blick ersichtlich: Wir waren mutterseelenallein auf weiter Flur. Den ganzen Tag über kam uns nur ein Auto entgegen, zwei weitere sahen wir aus der Ferne, und wir trafen lediglich zwei Personen. Einerseits konnte man so die himmlische Ruhe genießen, andererseits dachte ich gelegentlich daran, was wohl sein würde, sollte einer von uns einen Unfall erleiden oder von einer Klapperschlange oder einem Skorpion gebissen werden.
Das Park-Management ist nicht erpicht darauf, dass sich nicht besonders viele Besucher auf ihren Wanderwegen herumtreiben, die schöne Umwelt verschmutzen oder die fragilen Felsformationen beschädigen. Deshalb gibt es auch nur vage Wegbeschreibungen und kaum Hinweisschilder. Und es finden sich auch so gut wie keine Hilfsmittel auf dem Weg.
Hin und wieder (und häufiger, als man denkt) passiert es, dass ein Autofahrer vom Weg abkommt und verunglückt. Auf unserem Weg durch das Bull Valley sahen wir hoch über unseren Köpfen ein eingeklemmtes Fahrzeug, das in dem schmalen Spalt zwischen den beiden Kanten des Tals steckengeblieben war und dann zusammen mit alten Baumstämmen und Felsbrocken als Fundament für jene Brücke diente, über die wir gekommen waren. Ich hoffe, die Baumeister haben dabei bedacht, dass Autos rosten – nicht, dass die ganze Konstruktion eines Tages zusammenkracht und einen ahnungslosen Touristen erschlägt.
Nachdem wir endlich den Einstieg in den Canyon gefunden hatten, standen wir deshalb schon bald vor dem ersten Hindernis: Es ging gute zweieinhalb Meter bergab, und es gab lediglich einen alten Baumstamm, der als behelfsmäßige Leiter diente. Am liebsten wäre ich an dieser Stelle umgekehrt, aber dies sollte schließlich ein Abenteuer sein, und was wäre ein Abenteuer ohne ein bisschen Gefahr? Irgendwie haben wir es sogar geschafft, dort runterzukommen, ohne uns einen Knochen zu brechen, was uns auf lächerliche Weise mit Stolz erfüllte. Unten erwarteten uns dann jede Menge Felsbrocken, nur halb getrocknete Schlammpfützen – und ein wunderbarer Slot Canyon.
Der Weg hindurch blieb abenteuerlich. Manchmal musste man von Fels zu Fels springen, über Hindernisse klettern oder einmal unter einem Felsbrocken hindurchkrabbeln – zur Belohnung gab es dafür fantastische Felsformationen zu sehen und das gute Gefühl, sich in der Wildnis bewiesen zu haben. Nicht einmal Indiana Jones hätte diese Wanderung leichtfüßiger bewerkstelligen können, und der hat immerhin eine Peitsche, die er als Seil benutzen kann!
Die zweite Wanderung des Tages war deutlich leichter: Wir folgten einem ausgetrockneten Flussbett durch ein malerisches Tal mit ausgewaschenen Felswänden und hochgewachsenen Kiefern. Leider ist der hübscheste Teil davon mit einer halben Meile relativ kurz, aber es gibt ja noch viel mehr in diesem Park zu sehen, und etliche Wunder der Natur sind vermutlich noch nicht einmal erforscht worden, denn das Hinterland ist nach wie weitgehend eine Wildnis.
Für einen Tag hatten wir jedoch genug gesehen, zumal uns noch eine längere Rückfahrt bevorstand. Zuvor gingen wir jedoch ins „Escobar’s“, unserem Lieblingsrestaurant in Kanab, um mexikanische Spezialitäten zu genießen. Nach der Rückkehr ins Hotel blieb außerdem noch etwas Zeit, um eine Runde zu schwimmen und die müden Knochen im Whirpool zu entspannen. Ach, Urlaub kann so schön sein …