Back in L.A.

Plötzlich war es wieder heiß. Als wir in Corning ankamen, waren es am Abend immer noch dreißig Grad, und auch am Donnerstagmorgen, als wir uns auf dem Weg machten, konnte man bereits die kommende Hitze erahnen. Am liebsten hätte ich noch ein paar Runden im Swimmingpool gedreht, aber wir mussten leider weiter. Bis nach Los Angeles war es noch weit – zu weit, um die Strecke an einem Tag zu schaffen, zumal wir auf der ersten Etappe noch das Ballungsgebiet von San Francisco zu durchqueren hatten.

Beim Frühstück erfuhren wir ein interessantes Detail über die Stadt, die uns beherbergt hat: Corning ist, laut Eigenwerbung, die „Welthauptstadt der Oliven“. Mein erster Gedanke war: Lasst das besser nicht die Spanier oder Griechen hören, aber andererseits sind die Anbauflächen hier riesig, und die Farmer neigen zu Monokulturen. Vielleicht werden hier also wirklich mehr als 120 verschiedene Olivensorten angebaut. Da wir beide keine großen Fans der kleinen Früchte sind, ließen wir die Verkostung derselben aus und setzten unsere Reise fort.

Unterwegs fielen uns die gewaltigen Staubwolken am Horizont auf, die sich wie eine dicke Smogschicht über die Ebene legten. Das Central Valley Kaliforniens wird wegen des akuten Wassermangels bereits als New American Dust Bowl bezeichnet. Hunderttausende Hektar Ackerfläche liegen bereits brach, und viele weitere werden wohl folgen (müssen). Trotzdem wird gleichzeitig noch Reis angebaut. Wir kamen an riesigen Feldern vorbei, die komplett geflutet waren – ein Irrsinn. In diesem Zusammenhang habe ich eine neue Redewendung gelernt, die eine Dame in unserem Hotel, auf den Wassermangel hier und das Hochwasser in Texas angesprochen, gebrauchte: „We are all going to Hell in a Handbasket.“

Als einige Meilen vor San Francisco die erste Palme am Highwayrand auftauchte, habe ich mich wirklich darüber gefreut; es ist wie ein Gruß aus Südkalifornien. An der Küste erwartete uns jedoch eine kleine Enttäuschung: Der „June Gloom“, der zähe Nebel, der im Sommer gerne die Strände in Waschküchen verwandelt, scheint heuer früher dran zu sein. Oder es ist ein ganz ordinärer Nebel. Die Temperaturen sanken entsprechend um über zehn Grad ab, so dass es sich nun eher wie Herbst anfühlt. Da traf es sich gut, dass sich in der Nähe unseres Hotels ein vietnamesisches Restaurant befand – ich hatte nämlich Appetit auf eine wärmende Suppe …

Am Freitag sah das Wetter nicht viel besser aus, die Küste war immer noch in Nebel gehüllt, weshalb es wenig Sinn machte, Highway 1 nach Süden zu nehmen. Dies war mein dritter Versuch, die berühmte Küstenstraße zu sehen – und der dritte Reinfall. Na ja, dann vielleicht beim nächsten Mal.

Bis Santa Barbara ging es erstaunlich flott voran, danach ging eigentlich gar nichts mehr. Zum Wochenende fällt die Rush Hour immer besonders unangenehm aus, und so waren die Staus um einige Meilen langer als sonst. Wir beschlossen, uns auf den normalen Straßen durchzuschlagen, was dank des schachbrettartigen Straßenverlaufs kein unlösbares Problem darstellt, und kamen auch einigermaßen gut voran. Es hat zudem den Vorteil, dass man mehr von der Stadt sieht – manchmal viel mehr, als einem lieb ist.

Zuerst ging es durch Koreatown, das größer ist, als man meinen möchte, aber nicht unbedingt einen Besuch wert. Obwohl es ein sehr schönes Art Deco-Hochhaus gibt, einen buddhistischen Tempel und ein paar alte Läden, die noch den Vorkriegscharme versprühen, ist der Rest doch eher ein wenig heruntergekommen. Das Viertel, das südlich anschließt, ist jedoch viel schlimmer, die Häuser waren verfallen, die Straßen deprimierend heruntergekommen. Ein Campingwagen an einer Ecke war so durchgerostet, dass man ins Innere blicken konnte, besaß aber ein gültiges Kennzeichen. Bei uns wäre der nie durch den TÜV gekommen. Ein Geschäft für gebrauchte Elektrogeräte bot Ware an, deren Garantie bereits vor dreißig Jahren abgelaufen sein muss, und beim Warten an einer Ampel bekamen wir Einblick in eine improvisierte Garküche, die sich so auch in einem Slum in Mumbay hätte befinden könnte. Auf der Kühltruhe stand „Fine Dining for Dogs“, und der Herd war praktisch eine offene Feuerstelle. Und wer isst in einem Fast Food-Laden mit den Namen „Fatburger“? Oder was verbirgt sich hinter einer Einrichtung mit dem Namen: „Word of God University & Holistic Wellness Institute“? Bei einer Wagenpanne hätten wir uns auch in einem Motel ohne Fenster zur Straßenseite hin einmieten können, das sich im Falle eines Feuergefechts prima zu einer Festung ausbauen ließe. Die Waffen hätten wir bestimmt an der nächsten Straßenecke bekommen.

Irgendwann kehrten wir auf den Highway zurück. Dank unserer Exkursion hatten wir die schlimmsten Staus umfahren können und konnten noch etwas erleben. Und so gefährlich war es dann vermutlich doch nicht.

In den letzten fünf Wochen haben wir viel gesehen, viel erlebt und hatten entsprechend viel zu berichten. Am Sonntag geht es dann noch einmal für ein paar Tage in die Wüste – schließlich wollen wir noch ein wenig die Sommerhitze spüren, auf die wir in Deutschland vermutlich erneut verzichten müssen. Bis dahin werde ich eine kurze Pause einlegen und erst in ein paar Tagen wieder berichten.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2015 und verschlagwortet mit , , von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.