Am letzten Tag hat Kanada noch einmal alles aufgeboten, was ihm zur Verfügung stand: Traumwetter, hohe, schneebedeckte Berge, glitzernde Seen und dichte Wälder. Dazu noch jede Menge Wildtiere – Herz, was willst du mehr?
Okay, die meisten Wildtiere waren Fliegen, die in dichten Schwärmen über unser Auto herfielen, oder die Mückenschwärme, die so heftig gegen die Windschutzscheibe prallten, dass man meinen konnte, es hagelt. Aber es gab auch diesen putzigen Braunbären, der sich am Straßenrand etwas zum Fressen suchte, und – endlich! – unseren ersten und vermutlich letzten Elch, der am Hang oberhalb unserer Straße etwas missmutig dahintrottete wie ein unausgeschlafener Camper auf dem Weg zur Dusche. Dazu noch die üblichen, selbstmordgefährdeten Eichhörnchen, die immer ganz knapp vor dem Auto über die Straße rennen, und Dickhornschafe und Bergziegen, die ebenfalls überall herumspazierten, als gehörte der Park allein ihnen.
Begonnen haben wir den Mittwochmorgen im Waterton Lakes National Park, der nicht nur einige hübsche Seen sein eigen nennt, sondern auch das Prince of Wales Hotel, das sehr schmuck auf einem Hügel thront und damit das gesamte Tal dominiert. Zwei landschaftlich reizvolle Straßen führen tiefer in den Park hinein: Auf dem Akamina Parkway gelangte wir zum Cameron Lake, der in frostiger Höhe lag und vor allem bei Vogelkundlern von Interesse war. Auf dem Parkplatz gerieten zwei von ihnen schier aus dem Häuschen wegen eines Vogels mit blauen Federn. Muss wohl ein seltenes Exemplar gewesen sein.
Der Red Rock Parkway führt, der Name impliziert es schon, zu einem von roten Felsen dominierten Tal. Dort plätschert munter ein Fluss durch einen Canyon, der stellenweise rot-weiß gestreift ist wie eine bestimmte Zahnpastasorte (Video). Das sieht ausgesprochen hübsch aus, ist die meiste Zeit über aber leider nur vom Rand des Canyons aus zu bewundern. Überhaupt sieht man am Wegesrand ständig fließendes Wasser. Der Schnee in den Bergen schmilzt, die Gletscher schwitzen, und etliche Wasserfälle rauschen die steilen Hänge hinab, die in anderen Parks für Besuchermassen sorgen würden, hier aber sozusagen saisonaler Beifang sind.
Das einzige Manko sind die schlechten Straßen, die nach dem frostigen Winter mehr Schlaglöcher aufweisen als ein Schweizer Käse. Man muss schon Slalom fahren, um ihnen einigermaßen auszuweichen, was aber nicht immer gelingt. Einmal wurden wir so kräftig durchgeschüttelt, dass plötzlich der Scheibenwischer losging …
Mitten im Park liegt ein Grenzübergang zur USA, wo uns zwei bärtige Grenzbeamte empfingen. Verglichen mit ihren Kollegen an der Grenze zu Mexiko waren sie überaus freundlich, und da wir die einzigen Besucher waren, waren die Formalitäten im Nu erledigt. Ich wünschte, die Einreise verliefe immer so schnell.
Direkt an den Waterton Lakes National Park schließt sich der amerikanische Glacier Park an, der so heißt wie sein kanadisches Pendant, ironischerweise aber so gut wie keine Gletscher mehr hat. Schuld ist vermutlich die Klimaerwärmung, aber das wollen wir jetzt nicht weiter vertiefen. Leider war der Logan Pass noch immer gesperrt – natürlich wird er erst nach dem kommenden Feiertags-Wochenende geöffnet –, so dass wir nicht eine der schönsten Straße Nordamerikas fahren konnten, die Going-to-the-sun-road, sondern einen kleinen Umweg machen mussten. Im Nachhinein betrachtet, war dieser Weg ebenfalls traumhaft schön und führte über hohe Pässe mit schwindelerregenden Abgründen rechts der Straße, die natürlich überhaupt nicht gesichert war …
Als wir unterwegs einmal um eine Kurve bogen, standen plötzlich ein halbes Dutzend Pferde auf der Straße. Für Wildpferde erschienen sie mir ziemlich gepflegt zu sein, daher vermute ich, dass sie irgendwo ausgebüxt waren und sich ein wenig die Landschaft ansahen. In einer Gegend mit vielen Grizzlys nicht unbedingt die beste Idee. Und wo ist überhaupt der weltberühmte Pferdeflüsterer, wenn man ihn braucht?
Bis wir im Glacier National Park ankamen, war es bereits später Nachmittag, so dass nicht mehr viel Zeit blieb, etwas anzusehen oder gar zu erwandern. Immerhin der Two Medicine Lake und der Lake McDonald waren noch drin.
Nach gut zwei Wochen Kanada kann ich als Fazit sagen: Mir hat es ausgesprochen gut gefallen. Der Anfang war etwas holperig, aber dann wurde es von Tag zu Tag besser. Das sonnige Wetter und die netten Menschen (Fremde und Familie) trugen natürlich ihr Übriges dazu bei, diesen Aufenthalt zu etwas Besonderem zu machen. Aber Poutine, jene mit Sauce übergossenen Pommes Frites, habe ich trotzdem nicht probiert.