Kanada ist, vereinfacht gesagt, wie die USA – nur mit metrischem System und Menschen, die sich ständig entschuldigen. Sogar bei Tieren (wo es bei uns heißt: „Tiere bleiben draußen“, steht hier auf manchen Schildern: „Sorry Pets, Humans only“). Aber in vielerlei Hinsicht ist es genau wie in den USA, es gibt dieselben Fast-Food-Ketten und Shops, und die sanitären Anlagen in den Hotels könnten für Hobbits gemacht worden sein, so winzig und niedrig angebracht sind Waschbecken und Toiletten, und das Toilettenpapier ist so dünn, dass man ungelogen durchgucken kann.
Doch zurück zu unseren Abenteuern in der Natur. Den Vormittag verbachten wir in der Gegend des Lake Minnewanka, wozu auch der Two Jack Lake und der Lake Johnson gehören. Alle drei sind mehr oder weniger grün und ausnehmend hübsch anzusehen. Und das, obwohl wir seit Tagen nur Berge und Seen zu Gesicht bekommen …
Als wir zum ersten Fotostopp hielten, trafen wir auf einen neugierigen Rehbock, der zum Trinken an den See gekommen war. Zuerst zierte er sich ein wenig und lief vor uns davon, aber dann ließ er sich nur zu gern fotografieren und schien sogar regelrecht zu posieren. Der eitle Bock.
Am Two Jack Lake trafen wir drei Bighorn Sheep an, die größeren Wert auf ihre Privatsphäre legten und uns jedes Mal, wenn wir sie ins Visier unserer Kameras nahmen, den Allerwertesten zudrehten. Und manchmal sogar was fallen ließen, was für großes Gelächter bei einer Gruppe Japaner sorgte. Erst auf dem Rückweg wurden sie etwas umgänglicher und ließen sich bereitwillig aufs Korn nehmen. Die Schafe, nicht die Japaner.
Am See selbst tummelten sich erneut putzige Erdhörnchen, die etwas kleiner und rötlicher waren als jene, denen wir vor einigen Tagen begegnet waren. Dafür waren sie auch scheuer. Die kanadischen Wildgänse hingegen wollten sich gar nicht fotografieren lassen und schwammen sofort davon.
Nach einem kleinen Spaziergang fuhren wir weiter zum Stewart Canyon und unternahmen dort eine kurze Wanderung. Der Weg ist recht reizvoll, aber nur, solange er am Ufer des Lake Minnewanka entlangführt, danach läuft man nur noch durch dichten Wald. Und trifft dort das eine oder andere Reh …
Nach so viel Natur wurde es Zeit, ein wenig Großstadtluft zu schnuppern. Davon hat Banff allerdings nicht viel zu bieten, obwohl es eine nicht zu kleine Mall und sogar ein Kino sein Eigen nennen kann. Die Hälfte der Häuser scheinen Hotels zu sein, und im Sommer dürften die Touristen die Einwohnerzahlen locker vervielfachen. Gegessen haben wir in einem indischen Imbiss, was nicht nur lecker war, sondern auch höllisch scharf.
Da das Wetter wunderbar sonnig war und für den morgigen Nachmittag Regenschauer angekündigt wurden, fuhren wir noch zum Mount Sulphur hinauf. Von dort aus brachte uns eine Seilbahn weitere siebenhundert Meter zum Gipfel hoch. Von der Endstation aus kann man noch einen guten Kilometer über breite, gut ausgebaute Stege zum höchsten Punkt des Berges laufen. Die Aussicht ist großartig und jeden Cent der knapp vierzig Dollar wert (Video).
Besonders auffällig ist, dass sämtliche Mitarbeiter des Parks unglaublich gut gelaunt sind. Man sieht nur fröhliche Gesichter, jeder hat einen Scherz auf den Lippen und scheint sich wahnsinnig darüber zu freuen, einem zu begegnen. Eine kleine Plauderei gehört immer dazu, und jeder ist ausnehmend hilfsbereit. Vielleicht liegt es am guten Wetter, vielleicht bekommen sie auch jeden Morgen irgendwelche Muntermacher in den Kaffee gemischt – oder es ist einfach die kanadische Mentalität. Beim Aussuchen des Sandwiches vorgestern wurden wir wegen unserer Entscheidungen geradezu bejubelt, und bei der Barzahlung war der Kassierer so entzückt, als dürfte er das Geld behalten. Das ist manchmal fast schon unheimlich, und als Deutscher ist man zuerst überrascht, vielleicht sogar ein wenig misstrauisch, schließlich sind wir ganz andere Servicemitarbeiter gewohnt. Würde ich zu Hause als Kunde so hofiert, würde ich mich wahrscheinlich vereimert fühlen oder nach der versteckten Kamera suchen …
Weil noch etwas Zeit war und die Sonne gerade günstig stand, unternahmen wir einen Abstecher zu den Vermillion Lakes. Gemessen an der Zahl der Radfahrer und Jogger scheint dies das Naherholungsgebiet der Einheimischen zu sein. Als wir uns nach den Highlights der Gegend erkundeten, empfahl uns die Frau im Visitor Center unbedingt diese Aussicht hier, die am allerschönsten am frühen Morgen sei. Auf die Frage, um wieviel Uhr wir dann dort sein sollten, meinte sie mit einem breiten Lächeln: „So um halb sechs.“