Am Samstag stand nicht viel auf unserem Programm, so dass wir uns am Morgen Zeit für ein gemütliches Frühstück nehmen konnten. Anschließend ging es hinauf in die Berge zum Hurricane Ridge. Die Sonne lachte von einem blauen Himmel, nur vereinzelte Bergspitzen waren wie von Wolken gekrönt. Der Ausblick ins Tal war phänomenal, die uns umgebenden Gipfel waren allesamt mit Schnee bedeckt, und wenn man Richtung Norden blickte, schaute man auf Port Angeles, das Meer und in weiter Ferne Kanada. Es war sehr schön, mit sechs Grad aber auch recht kühl.
Nach einem knapp einstündigen Fußmarsch hinauf zu einem Aussichtspunkt in ca. 1700 m Höhe ging es wieder zurück ins Tal. Unterwegs begegneten uns mehrfach Rehe, die ohne jede Scheu direkt neben der Straße standen und fraßen. Wir blieben stehen, so nahe, dass ich sie vom Auto aus hätte streicheln können, aber sie rührten sich nicht vom Fleck. Und warum auch? Wahrscheinlich wissen sie inzwischen, dass ihnen hier im Park niemand etwas tun darf.
Im Gegenteil, auf dem Parkplatz trieb sich die vermutlich fetteste Krähe der Welt herum, die entweder von den Wanderern gefüttert wird oder sich an den Leibern derjenigen gütlich tut, die vom Weg abkommen und verunglücken. Das Erstaunlichste, was ich hier gesehen habe, waren aber weder die großartige Natur noch die Tiere, sondern die Radfahrer, die sich den steilen Berg auf knapp 1600 m hinaufquälen. Da gibt es doch sicherlich bessere Gegend zum Radfahren.
Vom Olympic National Park aus ging es dann zur Fähre in Bainbridge, die uns nach Seattle bringen sollte. Auf dem Wasser wehte ein kräftiger, eiskalter Wind, aber wir mussten einfach auf dem Deck bleiben und die herrliche Aussicht genießen. Im Osten befindet sich die majestätische Kulisse des Mount Rainier, dessen Gipfel sich im Nebel verlor, während wir uns langsam der eindrucksvollen Skyline von Seattle näherten. Man hört ja immer wieder, wie schlecht das Wetter hier ist, dass es zum Beispiel an 360 Tagen im Jahr regnen soll, aber für uns schien wieder einmal die Sonne.
Dafür war der Verkehr eine Katastrophe, sogar am Samstagnachmittag herrschte auf den Straßen das blanke Chaos – und wir waren mittendrin. Es dauerte daher eine Weile, bis wir das Haus von Mark G.s Cousin gefunden hatten, der im Nordwesten der Stadt lebt. Früher war es eine einfache Arbeitersiedlung, doch im Zuge der Gentrifizierung hat sich das Bild grundlegend verändert. Die Häuser hier sind bis zu hundert Jahre alt, aber mehr und mehr werden abgerissen und durch schicke Appartementhäuser ersetzt, und die Zahl der In-Restaurant nimmt ebenfalls zu.
Am späten Nachmittag nahmen unsere Gastgeber uns noch zum Botanischen Garten und den Schleusenanlage der Stadt mit, so dass wir uns ein wenig die Beine vertreten konnten. Dort gibt es auch eine Fischtreppe, über die die Lachse im Frühjahr in die Flüsse schwimmen, um zu laichen und dann zu sterben. Aber noch ist es dafür zu früh. Wieder zurück in Ballard gab es Lamm-Burger und Salat zum Abendessen, und am Sonntag steigt dann eine große Party …