Mittwoch war der Tag des Leuchtturms, was kein Kunststück ist, denn an der Küste gibt es naturgemäß einige davon. Ein paar haben wir bereits gesehen, ein paar werden wohl noch folgen. Inzwischen führte uns der Highway 101 immer wieder von der Küste weg ins Landesinnere, wo dichte, kühle Wälder locken und vereinzelt auch das eine oder andere nette Städtchen. Man kann jedoch nicht behaupten, dass Oregon dicht besiedelt wäre. Es gibt zwar überall Häuser, manchmal versteckt in den Wäldern oberhalb der meist einsamen Strände, die Ortschaften haben oft jedoch nur zwei- oder dreihundert Einwohner. Falls man beim Einkaufen die Milch vergessen hat, ist es vermutlich einfacher, sich bei der nächsten Kuh zu bedienen, als zurück zum Supermarkt zu fahren. Rindviecher gibt es nämlich jede Menge.
Alle paar Meilen begegnen einem übrigens Schilder am Straßenrand, auf denen Häuser, Farmen oder sogar ganze Hotels zum Kauf angeboten werden. Es ist vermutlich der Mangel an Jobs, der viele Menschen vertreibt – oder sie sind die Einsamkeit leid. Auch bei Mark G.s Verwandten befinden sich einige Anwesen auf dem Markt, darunter sogar eine riesige Villa für schlappe fünfzehn Millionen Dollar, deren Wohnzimmer allein so groß ist, dass man ein komplettes Haus darin unterbringen könnte. Wir haben nur einen Blick auf das Eingangstor zum Anwesen werfen können, eine wuchtige Konstruktion aus Baumstämmen, flankiert von einem Springbrunnen, der dem Marktplatz einer Kleinstadt zur Ehre gereichen würde.
Nachdem wir uns wieder bis spät in die Nacht mit unseren Gastgebern unterhalten hatten, brachen wir erst nach elf Uhr zur nächsten Etappe unserer Rundreise auf. Das Wetter zeigte sich erneut von seiner allerbesten Seite und strafte die Meteorologen Lügen, die Nebel und Regen vorhergesagt hatten. Der erste Stopp war am Cape Blanco Lighthouse, das wir bereits am Vortag angesteuert hatten, das allerdings geschlossen gewesen war. Ursprünglich war geplant, anschließend den Face Rock Beach bei Bandon anzusteuern, doch die mangelhafte Beschilderung machte uns leider einen Strich durch die Rechnung. Verglichen mit Kalifornien oder anderen Staaten im Westen der USA ist die Informationspolitik im Tourismussektor noch ausbaufähig. Auch das Coquille River Lighthouse war beim besten Willen nicht aufzuspüren, obwohl wir den gleichnamigen Fluss auf Anhieb gefunden haben. Das nenne ich mal einen richtigen Geheimtipp.
Immerhin haben wir das Umpqua Lighthouse gefunden. Der etwas sperrige Name begegnet einem hier auf Schritt und Tritt und geht auf die Ureinwohner gleichen Namens in dieser Region zurück, die vermutlich von den ersten westlichen Siedlern unterdrückt und nahezu ausgelöscht wurden und sich nun geehrt fühlen dürfen, wenn man eine Bank oder einen Leuchtturm nach ihnen benennt. Der vorletzte Leuchtturm des Tages war Heceta Lighthouse, das wir jedoch nur aus einiger Entfernung bewunderten, weil für das Parken unverschämte fünf Dollar verlangt wurden – das ist sogar mehr als in Hollywood.
Ein bisschen Natur stand auch auf unserer Agenda: An Oregons Küste gibt es nämlich ausgedehnte Dünen, die man erwandern kann – vorausgesetzt, man findet dorthin. Das Visitor Center mit den Informationen zu den Wanderungen steht am nördlichen Ende dieses Gebiets, und als wir es erreichten, lagen die vermutlich eindrucksvollsten Abschnitte schon lange hinter uns. Immerhin konnten wir noch einen einstündigen Spaziergang durch einen dichten Wald hin zu einem unheimlich breiten und vollkommen menschenleeren Strand unternehmen. Der Wind pfiff unablässig, die Wellen tosten, und unter unseren Schuhen knirschten Hunderte zerbrochener Muschelschalen. Es gab keine Felsen dort, nur das Meer, das bis zum Horizont reichte, und links und rechts den endlosen Strand, der sich in der Ferne im Nebel verlor. Hinter uns waren die Dünen, mit grellgelbem Ginster besetzt, die den Rest der Welt aussperrten – das alles vermittelte einem das Gefühl, als wäre man der letzte Mensch auf Erden (Video).
Der Strand von Seal Rock wirkte dagegen wie eine melodramatische Opernaufführung: Kreischende Möwen hockten auf den Felsen, und die Brandung brach sich an den zerklüfteten Felsen. Vor einigen Jahrzehnten hatte irgendjemand die Idee, all die Felsen vor der Küste Oregons zu sprengen und den Kies im Straßenbau zu verwenden. Zum Glück konnte das ebenso verhindert werden wie das Fällen der letzten Redwoods. Manche Menschen haben einfach keinen Sinn für die Schönheit der Natur. Apropos: Der Ort wurde nach den Seelöwen benannt, die es dort einmal in Hülle und Fülle gab, die nun aber komplett verschwunden sind. Einige leben jedoch nach wie vor in einer riesigen Höhle in der Nähe von Florence, die man auch besichtigen kann. Aber nachdem wir bereits eine Menge dieser Tiere in San Francisco und auf unserer Reise gesehen hatten, beschlossen wir, diesen Besuch ausfallen zu lassen. Zumal es in der Höhle auch abscheulich riechen soll …
Den wirklich allerletzten Leuchtturm des Tages haben wir zuerst komplett übersehen. Das Yaquina Bay Lighthouse sieht aus wie ein ganz gewöhnliches Haus mit einer Laterne auf dem Dach. Es war lediglich drei Jahre in Betrieb und liegt versteckt im Wald auf einer Landzunge am Stadtrand von Newport. Hier schlugen wir auch unsere Zelte auf (bildlich gesprochen natürlich). Zum Abendessen gingen wir in ein mexikanisches Restaurant – immerhin ist es schon zwei Wochen her, seit wir Chilis und Burritos hatten. Und zu schade, dass sie keine Ziege servierten.