Falls sich jemand darüber gewundert haben sollte, warum der Bericht von Sonntag erst am Dienstag erschienen ist: Die Internetverbindung in unserem Hotel brach am Sonntagabend (Montag in Deutschland) zusammen. Es war ein wenig wie früher, in der guten, alten Steinzeit, als man alles noch analog erledigte, Videos auslieh, wenn man zu Hause einen Film sehen wollte, und Briefe mit der Post verschickte.
Am Montag ging es erneut bei strahlendem Sonnenschein los, und diesmal stand alles im Zeichen des Baums. Die Avenue of the Giants im Humboldt Redwood State Park war unser erstes Ziel, und wer schon mal einen Redwood-Baum gesehen hat, weiß, wie imposant diese sein können. John D. Rockefeller war so beeindruckt von ihnen, dass er Ende der Zwanziger zwei Millionen Dollar für ihren Erhalt gespendet hat – gerettet wurden trotz vielfältiger Bemühungen schließlich nur magere vier Prozent, der Rest fiel den Sägewerken zum Opfer. Inzwischen werden neue Bäume angepflanzt, nur dauert es leider sehr lange, bis sie so groß und mächtig sind wie ihre tausendjährigen Vorväter.
Die Fahrt durch den Park hat etwas Märchenhaftes an sich, nur die vielen, engen Serpentinen sind nichts für Leute mit schwachem Magen. Besonders stolz ist der Park auf seine Albino-Bäume. Ich habe nicht einmal gewusst, dass es auch unter den Bäumen Albinos gibt, und entsprechend neugierig war ich auf dieses extrem seltene Exemplar. Im Visitor Center wurden Handzettel mit der Wegbeschreibung verteilt, wie Einladungen zu einem exklusiven Rave. An dem entsprechenden Haltepunkt machten wir uns auf den Weg in den Wald, sollten dabei genau fünfundzwanzig Fuß abschreiten, in einen Graben hinabklettern und dann hinter einem großen Baum nachsehen. Wie lang ist jedoch ein Fuß? Waren das dreißig Zentimeter oder achtundzwanzig? Und wieviel macht das insgesamt? Und welcher große Baum war gemeint – es gab Dutzende davon! Es war ein wenig wie eine Schatzsuche, aber wir haben unsere Sache gut gemacht und den „Weihnachtsbaum“, wie er auch genannt wird, gefunden. Er war jedoch nicht, wie ich annahm, komplett weiß, sondern besaß nur weiße Nadeln.
Nachdem wir ein paar Spaziergänge unternommen und die unglaublich würzige, nach Tannen duftende Luft genossen hatten (riecht wie Weihnachten), ging es weiter nach Eureka, einem kleinen, quirligen Städtchen mit einer Handvoll viktorianischer Häuser, die tatsächlich noch nicht abgerissen wurden.
Der nächste Halt war der Redwoods National Park, dem auch einige State Parks angegliedert sind, endlose Wälder mit Redwood-Hainen. Nachdem wir jedoch bereits den einen oder anderen Baum gesehen hatten und sie sich nicht allzu sehr voneinander unterscheiden, machten wir nur einen kleinen Spaziergang zum eindrucksvollen Big Tree und fuhren anschließend weiter, diesmal wieder an der Küste entlang.
Unser Reiseführer empfahl uns den ausgeschilderten Scenic Drive durch Crescent City, es stellte sich jedoch als etwas mühsam heraus, diesen überhaupt zu finden, da die Beschilderung recht sparsam ausgefallen ist. Vermutlich wollen die Leute, die direkt an der Küste leben, nicht so viele Touristen vor ihren Häusern herumlungern sehen. Den Leuchtturm konnten wir daher nur aus der Ferne betrachten.
Es gibt noch weitere, sehr schöne Aussichtspunkte auf der Küstenstraße, aber leider kann man nicht überall anhalten. Bei einem dieser Stopps trafen wir auf einen Mann mit zwei Hunden und kamen ins Gespräch. Besser gesagt, wir kamen nicht einmal zu Wort, weil er, als er hörte, woher wir kommen, uns seine Sichtweise der Weltpolitik mitteilen musste – und dabei beim Ersten Weltkrieg begann. Es war eine krude Mischung aus Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien, die er von sich gab, und es dauerte ungefähr eine Viertelstunde, bevor wir es schafften, uns von ihm wieder loszueisen. Es gibt schon seltsame Leute …
An der Küste des südlichen Oregon wohnt ein Cousin von Mark G., bei dem wir die nächsten Tage verbringen. Das Haus zu finden, war alles andere als einfach, zumal die Meilenangaben nicht ganz stimmten, aber wir schafften es zum Glück noch vor Sonnenuntergang – im Dunkeln hätten wir niemals hergefunden. Die Aussicht von der Terrasse ist phänomenal, man überblickt einen Gutteil der Küste, und in der Nacht blinkt ein Leuchtturm übers Wasser.
Am späten Abend bekamen wir noch kurz Besuch: Eine Fledermaus verirrte sich ins Haus. Das kommt hier ziemlich häufig vor, und in der Regel ist es kein Problem, sie wieder loszuwerden. Man öffnet einfach die Tür, löscht drinnen alle Lichter und macht sie draußen an. Gefährlich wird es nur, wenn man selbst oder ein Haustier mit ihnen in Berührung kommt, dann darf man sich im nächsten Krankenhaus gleich einer Tollwutbehandlung unterziehen lassen.