Gufe & Zzyzx

Am Sonntag hieß Abschied nehmen von unseren Freunden und Kalifornien. Unglaublich, dass wir jetzt seit vier Wochen in den USA sind, mir kommt es höchstens wie zwei vor. Gegen Mittag brachen wir auf gen Osten, um das Sündenbabel Nevadas zu besuchen: Las Vegas. Die Fahrt quer durch die Wüste verlief weitgehend unspektakulär, wenn man von einem explodierenden Reifen bei einem unserer Vordermänner absieht, der beinahe zu einem Unfall geführt hätte. Heuer kommt es mir überhaupt vor, als würden die Amerikaner sehr viel forscher und rücksichtsloser fahren, und endlich ist mir auch der Grund dafür klargeworden: Sie haben zu oft Fast and Furious 7 gesehen.

Abgesehen von den Möchtegern-Schumachers gab es unterwegs nur ein Rätsel, über das wir uns den Kopf zerbrachen: Wer oder was ist Gufe? „Gufe and Aware“ stand auf mehreren Schildern neben der Autobahn, auf denen sonst für Buffets und Hotels in Las Vegas geworben wird oder die Zehn Gebote niedergeschrieben sind. Es kann ja nicht schaden, sich das eine oder andere auf der Reise in das moderne Sodom in Erinnerung zu rufen.

Traditionell machten wir bei Peggy Sue’s Halt, jenem legendären Fünfziger-Jahre-Diner, der liebevoll mit diversen Memorabilien ausgestattet ist und dessen Speisekarte die Stars jener Zeit verewigt. Mark G. und ich hatten beiden den Buddy Holly-Cheeseburger mit Bacon und dazu einen Erdbeer- bzw. Ananasshake.SAM_6423_small

Persönlich gefällt mir jedes Mal ein Straßenschild mit einem drolligen Namen: „Zzyzx Road“. Keine Ahnung, wie man das ausspricht, aber ich habe mir mal die Mühe gemacht, bei Wikipedia nachzulesen, welche Geschichte dahintersteckt, und die ist ganz interessant: Nach dem Krieg hat sich hier ein Hochstapler niedergelassen und illegal ein Heilbad mit Hotel, Kirche und Flugplatz errichtet, finanziert von den Spenden seiner Anhänger. Mitte der Siebziger wurde alles dicht gemacht und der Mann zu einer Haftstrafe wegen Betrugs verurteilt. (Seltsam nur, dass man ihn drei Jahrzehnte lang unbehelligt ließ.) Seither befindet sich hier ein Wüstenforschungszentrum, und ich beneide die Telefonistin nicht um ihren Job, wenn sie nach der Adresse gefragt wird.

In der Wüste ist die Wasserknappheit besonders deutlich sichtbar, die zähen, kleinen Büsche, die hier überall wachsen, sahen noch nie so farblos und trocken aus. Unterwegs schwebten einige dicke Wolken über den Bergen, die Regen versprachen, aber das kostbare Nass verdunstete sichtbar in der Luft, bevor es den Boden berühren konnte.

Las Vegas ist immer noch unverändert. Obwohl die Touristenmassen nach dem Wochenende wieder abgereist sind (der Stau auf der Autobahn in Richtung L.A. war mörderisch), ist es immer noch wahnsinnig voll. Es könnte gut sein, dass noch mehr Hochhäuser aus dem Boden geschossen sind, und an mindestens einer Stelle wird gerade ein neues gebaut. Auch das Riesenrad ist inzwischen fertig, und weil es ein wenig abseits liegt, wurde die Stichstraße dorthin noch schnell in eine open mall umgewandelt. Was diese Stadt unbedingt braucht: noch mehr Geschäfte.

Das größte Problem war, das Parkhaus unseres Hotels zu finden, das zu den kleinsten am Strip gehören muss. Praktischerweise liegt es genau gegenüber dem Tagungsort, so dass wir zwischendurch mal ein Nickerchen machen können. Weil sie jedoch kaum Parkplätze haben und diese für ihre Gäste reservieren, verstecken sie die Zufahrt geschickt in einer Sackgasse – und lassen ihre Besucher durch die Gegend irren.

Unser Zimmer wurde erst kürzlich renoviert, ist groß und hell, liegt aber im Erdgeschoss. Glücklicherweise auf der Rückseite, so dass uns der Lärm erspart bleibt, aber dafür erfahren wir es als erste, falls der Pool überlaufen sollte. Das Kasino betritt man über eine unauffällige Tür neben einem Geschäft im Eingangsbereich, die sich nur mit dem Zimmerschlüssel öffnen lässt, und ein bisschen ist es so, als würde man durch einen Seiteneingang eine Bühne betreten. Man möchte direkt die Hände hochreißen und rufen: Hoppla, Vegas, hier komme ich! Am Montag gönnten wir uns gleich nach der Anmeldung einen ausgedehnten Brunch im Wynn Hotel, das früher mal das Beste in Las Vegas gewesen sein soll. Ich fürchte allerdings, wir haben seinen Zenit verpasst. Die Auswahl ist ordentlich, aber überschaubar, die Qualität gut, aber nicht herausragend. Insgesamt mangelt es den Köchen leider an Kreativität – und anscheinend kennen sie außer Salz und Pfeffer kaum ein anderes Gewürz. Was dem Essen in dieser Hinsicht fehlt, macht das Hotel wenigstens an Dekor wieder wett. Blumen, wohin man blickt, dazwischen jede Menge Kitsch und Kunst und ein Hang zum floralen Design. Muss man mögen.

Ach so, fasst hätte ich vergessen, das Geheimnis zu lüften: Gufe scheint nach meiner Internet-Recherche das Kürzel eines Sprayers zu sein, der kreuz und quer durch Kalifornien reist …

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2015 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.