Nach einem raschen Frühstück auf dem Balkon machten wir uns auf den Weg zur Bufadora. So wird eine Art Geysir genannt, bei dem Wasser in eine Felsspalte oder Höhle dringt, so dass die darin befindliche Luft durch eine Öffnung in der Decke herausgeblasen wird, wobei eine Fontäne in die Höhe schießt. Ein recht eindrucksvolles Naturschauspiel (Video), bei dem man je nach Windrichtung ganz schön nass werden kann. Wir hatten jedoch Glück, denn an dem Tag war es nicht nur windstill, sondern wir waren außerdem noch recht früh vor Ort – bevor die Touristen von den Kreuzfahrtschiffen einfielen. Dazu spielte ein einsamer Mexikaner Gitarre, und ein paar als Maya-Krieger verkleidete junge Männer tanzten. Der Blick aufs Meer war jedoch absolut unschlagbar, und dann zogen auch noch ein paar Delfine vorüber, als hätte der Fremdenverkehrsverein sie extra für uns bestellt.
Leider bedeutete das auch, dass wir den Souvenirhändlern hilflos ausgeliefert waren. Um zur Bufadora zu gelangen, muss man zuvor eine lange Straße entlangschreiten, in der sich links und rechts ein Geschäft an das andere reiht, und vor jedem stand ein Verkäufer, der einen am liebsten ins Innere gezerrt und dort seine Waren präsentiert hätte. Neben den üblichen Souvenirs gab es auch jede Menge Naschkram zu kaufen, exotische, getrocknete Früchte, frische Säfte und Kokosnüsse, die wie alles in Mexiko mit Chilipulver und Limettensaft verzehrt werden. Lecker, aber etwas gewöhnungsbedürftig.
Die Bufadora liegt etwas abseits der Stadt auf einer Landzunge. Die Fahrt dorthin dauert jedoch nicht lange und führt über weite Felder, die mit Blumen oder undefinierbarem Gemüse bebaut sind. Unterwegs kann man Pferde und Maulesel mieten, manchmal auch Kamele. Straßenstände bieten Drachenfrüchte an und Cocktail aus Yakas, das sind riesige, ovale Früchte, die abscheulich riechen, aber deren Saft toll schmecken soll. Ich war nicht nahe genug dran, um das eine oder das andere zu bestätigen.
Auf der Rückfahrt hielten wir vor einem ziemlich schäbigen Restaurant in einem armen, vernachlässigten Viertel der Stadt, in dem jedoch, wie uns versichert wurde, die beste Ziege Ensenadas, wenn nicht sogar Mexikos serviert werden soll. Grundsätzlich gehöre ich ja nicht zu den Menschen, die der Gedanke, etwas anderes als Huhn, Schwein oder Rind zu essen, mit Ekel erfüllt. Ich habe auch schon Pferd probiert, Känguru und Yak und kürzlich in L.A. auch schon mal Ziege. Nur bei Lämmern bekomme ich sofort Gewissensbisse.
Die Spelunke machte einen gemütlichen Eindruck, war aber eindeutig ein Fall für eine Komplettrenovierung und hätte problemlos auch in einen Slum in Addis Abeba gepasst. Die Toilette verfügte nicht einmal über fließendes Wasser, aber die charmanten Betreiberinnen gaben ihr Bestes, uns kulinarisch zu verwöhnen. Dieser Besuch fiel eindeutig in die Kategorie Abenteuer, und ich überlegte bereits, wie schnell Montezumas Rache einen wohl ereilen könnte. Gekocht wurde an einem Herd direkt neben dem Eingang, und es roch köstlich.
Letzten Endes waren meine Befürchtungen völlig umsonst – niemand ist krank geworden, und das Essen war unglaublich gut. Zur Ziege gab es die besten Tortillas, die ich je gegessen habe, und eine Suppe, die man mir glatt jeden Tag servieren könnte, dazu eine Art Krautsalat, Salsas und andere Beilagen, alles frisch zubereitet und von hervorragender Qualität. Mit Abstand das leckerste Essen dieses Urlaubs!
Den Nachmittag verbrachten wir in der besten Weinregion Mexikos, die vor den Toren Ensenadas beheimatet. Man fährt ungefähr eine Stunde dorthin und gelangt dann in ein hübsches, überraschend grünes Tal mit vielen Weingütern, die fast alle auch Weinverkostungen anbieten. Wir buchten eine Führung durch die Produktionsstätten und durften anschließend vier Weine probieren.
In der Nähe des Weingutes liegt eine kleine Pizzeria, zu der unsere Freunde unbedingt fahren wollten. Angegliedert ist ein kleiner Laden, in dem Salsas, Käse, Marmeladen, Tees, Brot und andere Dinge verkauft werden, alles von der 85jährigen Besitzerin eigenhändig hergestellt. Natürlich mussten wir ihre Pizza probieren, die ganz gut war, aber nicht außergewöhnlich. Auf der Terrasse tummelten sich einige Hühner und ein selbstverliebter Hahn, die um uns herumscharwenzelten und auf herabfallende Teigbrocken spekulierten. Der Hahn konnte einem fast leidtun, denn so mager seine Hennen auch waren, sie waren pfeilschnell und schnappten ihm oft einen Leckerbissen weg.
Bevor es ins Hotel ging, besorgten wir uns noch ein paar Kleinigkeiten in einem Supermarkt. Auch hier wird man auf dem Parkplatz angesprochen und gefragt, ob man während man einkaufen geht, nicht schnell sein Auto waschen lassen möchte, und wer mag, kann für ein paar Pesos jemanden beauftragen, die Einkäufe zum Wagen zu bringen. Leider gibt es sehr viele Menschen, die auf diese kleinen Dienstleistungen angewiesen sind und vermutlich davon leben.
Der letzte Tag verlief recht unspektakulär: Das Frühstück nahmen wir diesmal im Hotelrestaurant ein. Das Omelett, das ich mir bestellt hatte (mit Bacon und Avocados) war gut, aber dass hier alles mit Bohnen serviert wird, erstaunt mich immer noch ein wenig.
Nach einem Spaziergang durch Ensenada wurde es gegen Mittag Zeit, die Heimreise anzutreten. Zuvor mussten wir aber noch die Ceviche von Señora Bandera probieren, die mit ihrem Stand bereits auf mehreren internationalen Street Food-Wettbewerben vertreten war und dort bereits zweimal den ersten Preis gemacht hat. Sechs Mitarbeiter kümmern sich um den großen Andrang, der dort den ganzen Tag über herrscht, schneiden die Zutaten klein, mischen alles frisch zusammen und servieren. Der Mix aus in Limettensaft eingelegten rohen Meeresfrüchten (diverse Fische, Muscheln, Shrimps, Seegurken und –schnecken, Tintenfisch und anderem Getier) war köstlich, die Salsa wieder hausgemacht. Und erneut hielten wir die grüne Sauce für Guacamole, dabei war es Guacasalsa – Avocadomus mit scharfen Chilischoten …
Unsere Freunde unterhielten sich mit der Besitzerin des Stands, und wir baten sie, ein Foto machen zu dürfen, das wir hier im Blog veröffentlichen wollen. Señora Bandera schien sich darüber zu freuen, und nachdem unsere Freunde ihr erzählt hatten, dass ich einige Bücher geschrieben habe, musste ich mit ihr für ihre Webseite posieren. Vermutlich glauben die Mexikaner nun, ich wäre irgendwie berühmt.
Die Tage in Ensenada vergingen wie im Flug. Auf der Heimreise machten wir noch Halt in Tijuana, das wesentlich größer und rummeliger ist – und leider auch schmuddeliger. Außerdem wimmelte es hier nur so von Touristen, darunter eine Gruppe Mennoniten, die vermutlich aus einer Kolonie im Norden des Landes stammten und mit ihrer Kleidung wie die Darsteller eines Historienfilms wirkten. Irgendwie habe ich immer angenommen, dass sie über solch profanen Dingen wie Urlaub stehen würden, aber offenbar mögen auch sie Fast Food und kitschige Souvenirs.
Jedes dritte Geschäft verkauft übrigens Andenkenkitsch, der Rest besteht aus den üblichen Farmacias und – Zahnarztpraxen. Viele Amerikaner, die sich keine Krankenversicherung leisten können, lassen sich hier ihre Zähne machen, auch wenn ich mir bei etlichen Läden nicht sicher bin, ob das eine gute Idee ist. Vielleicht gilt hier jedoch dasselbe wie beim Birria-Restaurant: Entscheidend ist nicht das Aussehen, sondern die Qualität der Dienstleistung. Erschreckend ist hingegen die Zahl der Obdachlosen und Kinder, die einen ständig ansprechen, um einem bunte Bänder oder andere Kleinigkeiten zu verkaufen.
Da es an der Grenze immer lange Staus gibt, besorgten unsere Freunde ein Ticket für die Fast Lane, doch ein Unfall machte uns einen Strich durch die Rechnung, so dass wir über eine Stunde brauchten, bis wir wieder in den USA waren. Der letzte Weg zur Grenze führt einem noch einmal den ganzen Wahnsinn des Tourismus vor Augen: Fliegende Händler laufen gleich dutzendfach neben den Autos her, um ihre Waren anzupreisen – kitschige Heiligenbilder, Rosenkränze, das letzte Abendmahl als Plastikrelief, Ukulelen, Churros, Schmuck, Medikamente, Keramikkrüge und eine Riesenschildkröte aus Kunststoff, man fragt sich, wer so etwas kauft. Und auf dem Mittelstreifen stehen etliche Verkaufswagen, die die Autobahn in eine Garküche verwandeln. Wenige Meter vor der Grenze befindet sich sogar eine richtige Einkaufsstraße mit Läden und Toiletten, die direkt am Straßenrand steht. Ein Verkäufer wollte wissen, woher wir stammen, und machte sich einen Spaß daraus, das Land zu raten. Er nannte so ziemlich jeden europäischen Staat, kam aber einfach nicht darauf. Bei dem dezenten Hinweis auf die Fußballweltmeisterschaft meinte er nur abfällig: „Ach, Frankreich?“