Die vergangenen drei Tage verbachten wir in Mexiko, und die gute Nachricht ist: Man hat uns wieder in die USA gelassen. Unterwegs haben wir viel gesehen und erlebt, wurden zum Glück weder verhaftet noch entführt, sind am Ende aber dennoch so etwas wie berühmt geworden. Zumindest glauben das nun ein paar Leute in Ensenada. Aber der Reihe nach …
Bevor es am Donnerstag losging, gab es quasi zur Einstimmung ein besonders exotisches Früchtchen zu kosten. Unsere Freundin konnte ein paar Cherimoyas auftreiben, die wir unbedingt probieren sollten. Sie sind sehr lecker, unglaublich süß und schmecken nach Bananen und Ananas. Leider sind sie auch unverschämt teuer.
Ich muss ja zugeben, dass ich mit gemischten Gefühlen gestartet bin, Mexiko hat in letzter Zeit ja eher Negativ-Schlagzeilen gemacht, und wenn man noch dazu kaum ein Wort der Landessprache spricht, wird selbst die Lektüre einer Speisekarte zu einem unberechenbaren Abenteuer. Manche Leute umgehen dies, indem sie internationale Fast-Food-Ketten frequentieren, aber wenn man schon die Chance hat, über den kulinarischen Tellerrand zu blicken, sollte man diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Zudem hatten wir drei spanische Muttersprachler zur Unterstützung dabei, die sich auch gut in der Gegend auskannten.
Die Grenzüberquerung verlief problemlos. Die Grenzstation ist so neu, dass sie noch immer im Bau befindlich ist, die Beamtin, an die wir gerieten, war jedoch unglaublich freundlich und zuvorkommend – ganz anders als ihre amerikanischen (oder deutschen) Pendants. Außerdem war erstaunlich wenig los. Auch der erste Eindruck war durchweg positiv: In der Region scheint ein regelrechter Bauboom ausgebrochen zu sein. Links und rechts der Straße entstehen ganze Stadtviertel neu, endlose Blocks identischer Reihenhäuser, dazu jede Menge Villen mit Meerblick und Hochhäuser mit Ferienwohnungen. Amerikanische Pensionäre mögen die Gegend, insbesondere um Rosarito, das mit günstige Preisen und der Nähe zu Kalifornien lockt.
Baja California erinnert sehr an Süditalien, so sehr, dass Mark ständig ins Italienische verfallen ist und damit Kellner und Verkäuferinnen verwirrt hat. Die Bauweise unterscheidet sich mancherorts ein wenig, ansonsten sehen die Städte beinahe wie in den USA aus, zumindest dort, wo sie proper hergerichtet und frisch saniert sind. Daneben gibt es selbstverständlich auch die Elendsviertel, die man aus Filmen und Nachrichten kennt.
Unser Weg führte an bekannten Landmarken vorbei, darunter einer riesigen Christus-Statue auf einem Hügel und den Baja-Filmstudios, wo im Hafen noch ein paar historische Segelschiffe vor sich hindümpeln. Titanic ist übrigens ebenfalls hier entstanden. Abgesehen von seinen Keramik-Erzeugnissen ist die Gegend besonders für seinen Hummer berühmt, und dementsprechend stoppten wir in Puerto Nuevo, der Hummer-Hochburg. Außerhalb der Saison war die Stadt wie ausgestorben. Die Straßen sind eher schäbig, aber auf eine beinahe romantische Art, und wie in Touristengebieten üblich, reiht sich ein Laden an den anderen. Die Verkäufer sind recht aufdringlich und fordern einen immerzu auf, sich ihre Souvenirs anzusehen, manchmal bieten Imbissstände auch Kostproben an, aber sie akzeptieren wenigstens ein „Nein, danke“, vor allem wenn man es mit einem Lächeln und auf Spanisch äußert. Nur ein junger Mann wollte nicht akzeptieren, dass wir partout keinen Gutschein für einen Corn Dog haben wollten und meinte, es wäre unhöflich, ihn abzulehnen. Mark G. wurden alle drei Meter kubanische Zigarren und Tequila angeboten, das kommt eben davon, wenn man wie ein Genussmensch aussieht.
Das Restaurant La Casa del Pescador, in das unsere Freunde uns führten, war eine dunkle Höhle, die auf eine helle Terrasse hinausführte, die hoch über dem Strand lag. Möwen kreisten über unseren Köpfe – dazwischen gab es zum Glück ein Sonnendach, um uns vor etwaigen Bombardements zu schützen. Ein paar weitere Touristen genossen hier ebenfalls die Sonne und das vorzügliche Essen. Für lächerliche zwanzig Dollar bekamen wir drei halbe, kleine Hummer mit einer Tortillasuppe, rotem Reis, Bohnen, hausgemachten Tortillas und einer Margarita. Ich mag eigentlich keinen Hummer, aber dieser war gegrillt und köstlich, ebenso die ungewöhnliche Vorspeise aus Shrimp, Hummer und Käse, die mit Speck umwickelt und gegrillt wurde. Während des Essens tauchte alle fünf Minuten eine Mariachi-Band auf und bot uns ihre Dienste an. Vermutlich spricht es sich schnell herum, sobald neue Touristen eintreffen, und dann versuchen sie alle ihr Glück – genau wie die Möwen, die uns nicht aus den Augen ließen.
Am späten Nachmittag trafen wir in Ensenada ein und erkundeten zuerst die Stadt. Das Gebiet in der Nähe des Hafens, wo jedes Wochenende mehrere Kreuzfahrtschiffe einlaufen, sieht nett und proper aus, überall werden die Straßen repariert, und die Souvenirläden konkurrieren um Kunden. Hier fiel mir zum ersten Mal eine Besonderheit auf: Es gibt überall in den Touristengegenden wahnsinnig viele Farmacias, Apotheken. Stellenweise machen sie genauso aggressive Werbung wie die Verkäufer von Ponchos, Keramik und anderem Krimskrams, auch wenn sie dabei einen Kittel tragen, um Souveränität vorzutäuschen. Des Rätsels ist: In Mexiko dürfen viele Medikamente frei verkauft werden, darunter Viagra („Kaufe acht Packungen Viagra und erhalten einen tollen Schlüsselanhänger“), Antibiotika und diverse Psychopharmaka. Ideal für die Party-Kids, die gleich vor Ort ihre Geschlechtskrankheiten auskurieren wollen oder bei dem Gedanken an die Rückkehr in den Alltag in Depressionen verfallen.
Der Spaziergang in der Stadt stellte sich als etwas strapaziös heraus, da die Mexikaner hohe Bürgersteige lieben. Mancherorts waren sie bis zu einem Meter hoch und besaßen Treppen. Es war auf jeden Fall ein gutes Fitnesstraining. Außerdem fehlten bei den Abdeckungen von manchen Versorgungsschächten die Deckel, so dass man immer aufpassen musste, nicht in ein tiefes Loch zu treten. Abgesehen davon ist die Stadt sehr fußgängerfreundlich, die Autos halten tatsächlich an den Ampeln (immerhin ein Unterschied zu Italien), und sie lassen einen auch immer geduldig die Straße überqueren (anders als in Deutschland).
Nach dem Hummer waren wir immer noch satt, aber unsere Freunde hatten ihre eigene To-Eat-Liste aufgestellt, und auf der standen Fisch-Tacos ganz oben. Es gibt sicherlich eine Menge guter Restaurants in Ensenada, aber wenn man die Einheimischen fragt, erhält man ganz andere Empfehlungen. Die besten Fisch-Tacos gab es an einem kleinen Stand in der Nähe der Kathedrale, frisch zubereitet, mit hausgemachten Salsas und Beilagen – sehr lecker und dabei nicht teuer. Ideal, wenn man bereits ein komplettes Mahl intus hat. Mark G. hatte Pech, weil er die grüne Creme, mit der man seinen Taco würzen konnte, mit Guacamole verwechselte, es in Wahrheit aber eine scharfe Chilisauce war. In Mexiko ist eben nicht alles Avocado, was grün ist …
Unser Hotel lag sehr günstig in der Nähe des Hafens und der Innenstadt, war allerdings nicht mehr das jüngste. Das dazugehörige Kasino verbreitete mit seinen Soundeffekten und dem abgestandenen Zigaretten-Geruch immerhin den Flair des alten Las Vegas, aber darauf kann ich getrost verzichten. Zum Glück gab es auch eine tolle Poolanlage und Balkone vor jedem Zimmer. Wir waren unter dem Dach untergebracht, weshalb unsere Decken eine Schräge besaßen und an die fünf Meter hoch waren. Der Einrichtungsstil erinnerte gleichzeitig an eine Hacienda und an einen Aztekentempel, auch wenn die Betten bequemer waren als ein Opferblock. Das einzige Problem stellten die feierwütigen Jugendlichen dar; da die Diskotheken um drei Uhr schlossen, setzten sie ihre Party im Hotel fort und brachten uns damit um den Schlaf.