Ein entspanntes, ereignisarmes Wochenende liegt hinter uns. Am Samstag gab es zum Frühstück immerhin eine kulinarische Premiere: Molletes. Das sind ausgehöhlte Brötchenhälften, die getoastet, mit gekochten Bohnen gefüllt und dann mit Käse überbacken werden. Dazu eine leicht scharfe Salsa und einen kleinen Klacks saure Sahne und fertig ist das Frühstück für mexikanische Wrestling-Champions.
Später haben wir nur noch einen kleinen Ausflug zu einer Mall unternommen, weniger zum Shoppen, sondern um uns ein bisschen die Beine zu vertreten. Unterwegs kamen wir an einer Gruppe grimmig dreinschauender, Flaggen schwingender Amerikaner vorbei, die für die Tea (was sie als „Taxed enough already“ interpretiert haben) Party warben und die Autofahrer aufforderten, zu hupen, wenn sie ihre politische Gesinnung teilen. Tatsächlich gab es ein paar Unbelehrbare in der Schlange vor der Ampel.
Am späten Nachmittag machten wir dann endlich Station bei meinem geliebten Fish Grill, wo wir einen Shrimp Wrap und eine gegrillte Zucchini aßen. Wie immer war es sehr voll, wie immer waren jede Menge Polizisten dort (quasi die Michelin-Sterne der Imbisse). Und wie immer war es vorzüglich!
Am Sonntag standen wir etwas früher auf, um Doughnuts fürs Frühstück zu besorgen und damit unsere To-Eat-Liste abzuhaken. Allzu oft kann man die kleinen Kalorienbomben ohnehin nicht essen. In der Mittagszeit fuhren wir nach Santa Monica raus – und waren offenbar nicht die einzigen, die diese Idee gehabt hatten, denn auf dem Highway war die Hölle los. Geparkt haben wir wie immer in einer Mall, die nur wenige Gehminuten vom berühmten Pier entfernt liegt. Die Gebühren sind dort humaner als am Meer (die ersten neunzig Minuten sind kostenlos, danach zahlt man ca. einen Dollar pro Stunde) und es ist bei weitem nicht so überfüllt.
Die Mall selbst ist eher etwas für Luxusshopper, die ganz gerne bei Tiffany’s oder Bloomingdale’s Bummeln gehen, aber die Anlage selbst ist sehr nett. Der neueste Trend, nicht nur beim Salatbüffet, sondern offenbar auch bei der Grünanlagengestaltung: Grünkohl. Allerdings wirkten die Pflänzchen relativ mickerig, sonst wären sie vermutlich längst von den Betreibern des Food Courts auf dem Dach, von dem man eine schöne Aussicht aufs Meer hat, geerntet worden. Auf dem Weg haben wir noch schnell eine Fortsetzung von Die Vögel gedreht – als Kurzfilm.
Santa Monica ist ein hübsches, herausgeputztes Städtchen mit einer richtigen Fußgängerzone, die besonders bei hoffnungsvollen Nachwuchsmusikern beliebt ist. Alle zwanzig Meter steht eine Band oder ein Sänger bzw. eine Sängerin, um die Flaneure mit musikalischen Darbietungen zu erfreuen, an einer Kreuzung hatte sich ein Prediger des ganz alten Testaments aufgebaut, um von Hölle und Verdammnis zu reden, und in einem Park trat eine Breakdance-Gruppe auf, die ein zweistündiges Programm einstudiert hatte. Mark G. war neugierig, und so sahen wir eine Weile zu, aber sie kamen irgendwie nicht aus dem Quark. Zuerst mussten sie sich aufwärmen, dann jede Menge cooler Sprüche loswerden und die Zuschauer enger um sich scharen, damit sie ihnen „gute Energien“ zukommen lassen (und vermutlich ein paar Dollar), bevor es endlich losging.
Auf dem Rasen, den man in Deutschland vermutlich nicht hätte betreten dürfen, lagen jede Menge Leute auf Decken herum, von denen man nicht sagen konnte, ob sie obdachlos waren oder einfach nur ein Päuschen machten. Kein Wunder, wenn die T-Shirts der Hipster so kunstvoll zerrissen sind, als hätte ihr Träger damit schon drei Winter auf der Straße hinter sich. Apropos Hipster: Hätte ich für jeden Vollbartträger, dem ich begegnet bin, einen Dollar bekommen, hätte ich mich zur Ruhe setzen können
Der Pier sah aus der Entfernung unglaublich voll aus. Ungefähr so wie das Oktoberfest, allerdings ohne Blasmusik. Zum Glück verteilten sich die Menschenmassen ganz gut auf der breiten Holzpromenade, so dass ich keine Beklemmungen bekam. Auf dem Strand hatten Aktivisten Hunderte Kreuze aufgestellt, um damit gegen die Kriege der USA zu protestieren, und eine Handvoll Asiaten hielt Vorträge über den illegalen Organhandel in China – mit wirklich abstoßenden Bildern. Dazwischen jede Menge Touristen, Trendsetter und Sportler. Trotz der niedrigen Wassertemperaturen tummelten sich viele Leute im Wasser, andere ließen Drachen steigen oder stiegen gleich selbst in die Lüfte.
Bei Santa Monica muss ich immer an Bert Brecht denken, der hier einige Jahre im Exil verbracht hat. Ich kann ihn mir direkt vorstellen, schlecht gelaunt, weil immer die Sonne scheint, verdrießlich angesichts der kalifornischen Art, das Leben mit Gelassenheit zu nehmen. Auf dem Weg zurück zum Wagen gönnten wir uns dann noch einen Frozen Yogurt und zitierten dazu andächtig einige Zeilen aus Das Leben des Galilei, Brechts einziger Theaterarbeit im Exil.
Das eigentliche Mittagessen nahmen wir etwas später in einem Grill-Imbiss ein, von dem unsere Freunde uns vorgeschwärmt hatten: HaBa Grill (HaBa wird irgendwie wie Wawa ausgesprochen) bietet ähnlich wie Rascal’s Teriyaki Chicken an, das angeblich aber eine Spur gesünder sein soll (warum auch immer, denn es beinhaltet dieselben Zutaten). Nach all den Vorschusslorbeeren war es allerdings nicht so gut wie erhofft.
Und damit endete unser letztes Wochenende in Los Angeles. Am Abend gaben wir unseren Mietwagen zurück, den wir in den nächsten Tagen nicht mehr brauchen werden. Sonntag ist außerdem unser (einziger) Fernsehtag mit den neuen Folgen von Mad Men, Game of Thrones und Silicon Valley.