Vorgestern hieß es, es sollte regnen. Die Wahrscheinlichkeit für Niederschlag lag bei achtzig Prozent, der Wetterbericht sprach sogar von Schnee in den Bergen, und alle waren entsprechend aufgeregt und voller Vorfreude. Kalifornien, so war auch in den europäischen Zeitungen immer wieder zu lesen, braucht ganz dringend Regen. Am Morgen war der Himmel noch tiefblau, nur ein kleines Wattewölkchen trieb sich einsam am Horizont herum. Gegen Mittag war es schon eine ganze Herde, aber noch immer sah es nicht nach Regen aus – bis am späten Nachmittag dann doch die ersten Tropfen fielen. Nach kurzer Zeit war der Spuk jedoch schon wieder vorbei, um eine Stunde später noch einen heftigen, aber ebenfalls sehr kurzen Schauer nachzuliefern. Vermutlich gab es dazu Sonderberichterstattungen im Fernsehen und Autofahrer, die erschrocken mitten auf der Fahrbahn stehengeblieben sind, um das „Unwetter“ abzuwarten. Ach, diese Kalifornier …
Gestern waren wir dann schon wieder unternehmungslustiger und machten uns auf den Weg nach Hollywood. Das Chinese Theatre wurde vor einiger Zeit umgebaut, besitzt nun Stadium-Sitze, eine Imax-Leinwand und den allerersten, vor einer Woche eingebauten IMAX-Laser-Projektor. Mark G. wollte diesen unbedingt in Aktion erleben, auch wenn die Preise selbst in der Matinee entsprechend gepfeffert sind. Der Umbau ist in der Tat gelungen, der altmodische Charme des Theaters wurde weitgehend beibehalten, hat meiner Meinung nach allerdings schon gelitten. Das Raumgefühl ist einfach nicht mehr dasselbe, und die Proportionen stimmen auch nicht mehr, aber wenigstens ist das üppige Dekor erhalten geblieben.
Angeschaut haben wir uns Fast & Furious 7, die Projektion war glasklar und messerscharf, was der einen oder anderen Schauspielerin absolut nicht gefallen dürfte, denn jedes kleine Fältchen, jede Runzel wird nun für alle sichtbar. Der Sound war großartig, nur die Lautstärke viel zu hoch eingestellt, Mark G. war noch Stunden danach schwerhörig, und der Bass hat dermaßen gedröhnt, dass alles vibrierte – was einen erstaunlichen Nebeneffekt hervorrief: Mein Magen fing an zu knurren. Sollte man sich vielleicht zunutze machen für einen Vorfilm, in dem es ordentlich brummt und bei dem zusätzlich der Geruch von Popcorn ins Kino geleitet wird.
Ansonsten ist es immer wieder ein Genuss, ins Chinese Theater zu gehen. Im Foyer lassen sich alte Film-Requisiten und Kostüme bewundern, und wenn man aus der Dunkelheit (für meinen Geschmack wird zu sehr bei der Beleuchtung gespart, weshalb ich fast eine Treppe runtergefallen wäre) wieder hinaustritt und in die Menschenmassen vor dem Eingang stolpert, bekommt Hollywood auf einen Schlag etwas noch Unwirklicheres als sonst.
Wir unternahmen anschließend noch einen kleinen Spaziergang. Wirklich spektakulär ist die Gegend zwar nicht, obwohl es einige sehr schöne, alte Gebäude und interessante Läden gibt, aber das Hauptaugenmerk gilt ohnehin den Sternen auf dem Boden. Hollywood ist vermutlich der einzige Ort auf der Welt, an dem du es nach oben geschafft hat, wenn die Menschen deinen Namen mit Füßen treten. Auf dem Bürgersteig tummelten sich natürlich wieder die beliebtesten „Filmhelden“, um sich gegen ein Entgelt fotografieren zu lassen, und es ist auffallend, wie viele Superhelden inzwischen darunter sind. Die Blues Brothers oder Elvis wurden mittlerweile von Spiderman, Thor, Wolverine und Captain America verdrängt, und als wir einer Versammlung von zwei Avengers und zwei Disney-Figuren begegneten, die konspirativ die Köpfe zusammenstecken, mutmaßte Mark G. eine Gewerkschaftsversammlung. Falls es eine Gewerkschaft der Look-alikes gibt.
Zum Abschluss unseres Ausflugs gehörte noch ein Lunch in der California Pizza Kitchen, wo ich endlich wieder meine geliebte California Club Pizza essen konnte. Doch schon als die überaus mitteilsame russischstämmige Kellnerin, die in ihrer Kindheit Deutsch gelernt hat, uns stolz die neue Speisekarte präsentierte, schwante mir Übles. Zu Recht – sie haben diese köstliche Pizza neu erfunden und dabei verhunzt. Nicht nur, dass sie kleiner geworden ist und spärlicher belegt, der Rucola, der nun einen Teil des Eisbergsalats ersetzt ist, geschmacklich viel zu dominant, das Hühnchen ist kaum noch zu finden, und der Bacon besaß irgendwelche künstliche Aromastoffe, die einen intensiveren Rauchgeschmack vermitteln sollen, mir aber prompt auf den Magen geschlagen sind. Eine große Enttäuschung!
Als schwierig stellte sich zuletzt noch das Verlassen des Parkhauses heraus. Da es im Kino aus technischen Gründen nicht möglich war, das Parkticket abzustempeln, bekamen wir einen Gutschein, der jedoch abgelaufen war. Zum Glück waren nicht nur Automaten, sondern auch ein paar Menschen vor Ort, die weiterhelfen konnten. Leider konnte die junge Frau nicht besonders gut rechnen und verlangte zuerst viel zu viel Geld von uns. Nach dem Hinweis, dass dies nicht stimmen könne, rechnete sie nochmal nach und kam auf einen zu niedrigeren Betrag. Mit einem Automaten hätte man vermutlich nicht feilschen können …
Fast & Furious 7
Nachdem sie seinen Bruder ins Koma befördert haben, sinnt Deckard Shaw (Jason Statham) auf Rache an Dom (Vin Diesel), Brian (Paul Walker) und Hobbs (Dwayne Johnson). Unterstützung erhalten sie durch den geheimnisvollen Mr. Nobody (Kurt Russell), für den sie einen geheimnisvollen Hacker aufspüren sollen, der als einziger Shaw finden kann.
Die Geschichte ist mit heißer Nadel gestrickt und wirkt wie ein halbgarer Nachklapp zum sechsten Abenteuer der Boliden-Crew. Wie bei den Autorennen früher geht es um schnell beleidigte Naturen, die sich gegenseitig auf einen Wettkampf herausfordern, nur sind die Einsätze inzwischen höher und das Spielzeug ein bisschen teurer. Aber im Grunde ist die Story auch vollkommen egal, denn am Ende erinnert man sich ohnehin nur an die spektakulärsten Stunts. Nummer Sieben ist also der Film, in dem sie mit Autos aus Flugzeugen springen, was zugegebenermaßen recht beeindruckend aussieht, und damit ist eigentlich auch alles gesagt.
Alles ist wie immer „ein bisschen zu“: die Autos sind ein bisschen zu aufgemotzt, die Actionszenen zu übertrieben, die Musik zu laut, das Timing zu perfekt, die Bikinis der Frauen zu knapp. Das führt dazu, dass die Aberwitzigkeit von Film zu Film gesteigert werden muss, da reicht ein einfacher Salto nicht mehr aus, sondern muss dieser auf einem Hochseil stattfinden, während der Held mit einem Dutzend scharfer Handgranaten jongliert und unter ihm hundert Waisenkinder die amerikanische Hymne singen. Und gerettet wird er in allerletzter Sekunde durch einen spektakulären Autostunt. Würde das Ganze als Parodie präsentiert, wäre es vermutlich wesentlich cooler, aber leider meinen sie es, trotz eines kleinen Augenzwinkerns, immer noch viel zu ernst. Und dazu all das Gerede von Familie, das eine Emotionalität vortäuschen soll, die sich einfach nicht auf den Zuschauer überträgt – ausgenommen in den letzten Minuten, die dem Abschied von dem verstorbenen Paul Walker gewidmet sind, dessen Filmfigur die Reihe auf ganz andere Art verlässt, als man zunächst annimmt.
Nach dem sensationellen Start ist der Erfolg des siebten Teils nicht mehr aufzuhalten und eine weitere Trilogie gewiss. Vin Diesels Optimismus hinsichtlich eines todsicheren Oscar-Gewinns (für den Besten Film, wohlgemerkt), kann der Autor dieser Zeilen allerdings nicht teilen, aber der nächste Film dürfte ohnehin etwas anders werden. Die Crew wurde inzwischen nämlich ganz schön ausgedünnt und hätte inzwischen bequem in einem einzigen Fahrzeug Platz, aber von Fahrgemeinschaften halten die Herrschaften sowieso nichts.
Note: 4