Am Ende ging es ganz schnell. Als wir vor sieben Monaten den Flug in die USA buchten, schien der Termin noch unendlich weit weg zu sein. Ich hatte aber jede Menge Arbeit, so dass die Monate nur so vorbeirauschten, und plötzlich war es soweit – ich hatte nicht einmal Zeit für Panik. Der Flug nach Philadelphia verlief problemlos und ruhig. Diesmal hatten wir bei einer amerikanischen Airline gebucht – zum Glück, da Lufthansa wieder mal streikte – und bekamen den Unterschied schon an Bord zu spüren: die Becher waren größer, und die Stewardessen redeten einen mit „Honey“ an. Das größte Problem war jedoch, dass um uns herum jeder krank zu sein schien, überall wurde gehustet und geschnieft, und die Klimaanlage hat die Viren dann vermutlich noch in der ganzen Maschine verteilt. Prompt bekam ich ein fieses Kratzen im Hals …
In der Stadt der brüderlichen Liebe herrschte so viel Harmonie, dass wir binnen kürzester Zeit Pass- und Einwanderungskontrolle durchliefen und auf einmal viel zu viel Zeit hatten, bevor unser Weiterflug startete. Diesmal musste ich dem Beamten wenigstens nicht meine halbe Lebensgeschichte erzählen, dafür interessierte er sich eingehend für meinen Kontostand. Interessant war anschließend der Sicherheitscheck, bei dem wir nicht nur in den Nacktscanner gebeten wurden, sondern ich auch noch eine Sonderbehandlung erfuhr: Der Beamte kam plötzlich auf die Idee, mich auf chemische Kampfstoffe zu untersuchen. Auch der zweite Flug verlief ereignislos, wenn man einmal von den unheimlichen Geräuschen absieht, die die Maschine beim Start machte und die klangen, als würde sie im nächsten Moment auseinanderfallen. Nicht sehr beruhigend, wenn man unter Flugangst leidet.
Entschädigt wurde ich vom Anflug auf L.A. bei Nacht – immer ein ganz besonderes Erlebnis. Der Zauber der Schönheit verflog jedoch rasch, als wir völlig übermüdet eine geschlagene halbe Stunde auf unser Gepäck warten mussten, danach gute zwanzig Minuten auf den Shuttle-Bus zum Mietwagen-Verleih, bei dem die Schlange bereits bis auf die Straße reichte. Eine weitere Stunde später saßen wir dann endlich im Wagen, einem kleinen Stadtflitzer in der knalligen Farbe eines kandierten Apfels. Er ist so klein, dass wir Mühe hatten, die Koffer erst hinein- und dann wieder herauszubekommen, aber für den Stadtverkehr ist er einfach perfekt.
Obwohl es inzwischen zwei Uhr nachts war, war die Nacht durch die Zeitverschiebung wahnsinnig kurz: Bereits um fünf bzw. um sieben Uhr waren wir wieder hellwach. Der Vormittag verging mit angeregtem Geplauder, da wir unsere Freunde bei unserer Ankunft nicht mehr gesehen hatten, und am Nachmittag fuhren wir – wie immer am ersten Urlaubstag – an den Strand.
Um an dieser Stelle alle Daheimgebliebenen neidisch zu machen: Das Wetter war sommerlich warm, und wenn ich nicht so verflucht misstrauisch wäre, hätte ich auch eine kurze Hose angezogen. Wir fuhren mit offenen Fenstern durch die Stadt und rochen überall den typisch amerikanischen Geruch nach fettigem Fast-Food. Da wir seit unserem Frühstücks-Bagel nichts gegessen hatten, war es ein absolut himmlischer Duft.
Am Strand gab es nichts Neues: Der Pazifik ist immer noch da, immer noch großartig und verbreitet immer noch zuverlässig das Gefühl von Urlaub. Ein paar Palmen noch, und fertig ist das Idyll. Und ein Blick auf das Meer reichte nicht nur aus, mich sofort in Urlaubsstimmung zu versetzen, sondern auch, um jeden Virus, den ich im Flugzeug aufgeschnappt haben könnte, in die Flucht zu schlagen. Instant-Heilung.
Wir hatten geplant, von Hermosa Beach zur Marina in Redonda Beach zu laufen, um dort zu essen, aber der hinterhältige Park-Automat verhinderte das. Abgesehen davon, dass es unsinnig ist, die Parkdauer zu Beginn festzulegen (was immer dazu führt, dass man sich verspätet oder plötzlich gezwungen ist, schneller zu kauen) oder mit Kreditkarte zu zahlen (was die Parkgebühren dank der Bankgebühren glatt verdoppelt) , hatte die Maschine noch immer dieselbe Macke wie vor anderthalb Jahren. Ständig brach sie den Vorgang ab, um dann plötzlich festzulegen, dass wir nur eine Stunde parken wollen – egal was wir eingegeben hatten.
Am Ende erwies sich dieser Fehler als unser Glück, denn der letzte Teil des Wegs war aufgrund von Bauarbeiten gesperrt, weshalb wir zum Restaurant fuhren. Wie immer gab es in der Cheesecake Factory dasselbe Essen: Chicken Chinese Salad bzw. Sheila’s Chicken and Avocado Salad, gefolgt von Dulce de Leche Caramel Cheesecake und einem Stück Adams Peanut Butter Fudge Cheesecake (Elvis hätte ihn geliebt). Manche nennen das vielleicht einfallslos, andere sagen Tradition dazu. In erster Linie ist es verdammt lecker. Und wieder hatten wir Glück: Der Parkplatz war überfüllt, aber als wir kamen, wurde gerade ein Platz frei. Mark G. entschloss sich bei dieser anhaltenden Sonderbehandlung von Fortuna sofort, Lotto zu spielen.
Auf dem Heimweg wehten wieder Essensgerüche durchs Fenster, aber so verlockend sie sind, wenn man hungrig ist, sobald man satt ist, mag man sie buchstäblich nicht mehr riechen. So endete der erste Tag schon am Nachmittag mit einem ausgiebigen Mittagsschlaf, das man getrost als Fress-Koma bezeichnen kann. Und kaum war ich aufgewacht, hieß es, das Abendessen ist fertig.