Verstehen Sie die Béliers?

Diesmal geht es um einen brandaktuellen Film, der heute startet und in Frankreich ein Riesenhit war. Überhaupt, die Franzosen: Mit Ziemlich beste Freunde, Monsieur Claude und seine Töchter oder Willkommen bei den Sch’tis haben sie uns in den letzten Jahren schon mehrfach bewiesen, dass ihre Komödien auch diesseits der Grenze wunderbar funktionieren. Zum Teil, denke ich, liegt es wohl daran, dass die amerikanische Komödie in letzter Zeit ziemlich auf den Hund gekommen ist. Wann hat es die letzte, wirklich gelungene RomCom gegeben? Oder eine Komödie, die nicht von Witzen lebt, die man höchstens vom Stammtisch nach mehrstündigem Zechen gewohnt ist? Hollywoods Verlust ist in diesem Fall tatsächlich Europas Gewinn.

Verstehen Sie die Béliers?

Wie alle Teenager hat es Paula (Louane Emera) mit ihrer Familie nicht gerade leicht, doch das Mädchen hat es besonders schwer: Die Béliers betreiben einen kleinen Bauernhof in der Provinz, und bis auf Paula sind sie alle taubstumm. Daher gehört es zu ihren Aufgaben, den Kontakt zur Außenwelt herzustellen, mit Futtermittellieferanten zu feilschen, die Marktkunden zu bedienen und auch mal die Anweisungen des Arztes bezüglich des elterlichen Geschlechtsverkehrs zu übersetzen. Und dann ist sie auch noch verliebt. Wegen des Jungen (Ilian Bergala) tritt sie schließlich dem Schulchor bei, wo ihr stets schlecht gelaunter Lehrer (Eric Elmosnino) ihr außerordentliches Gesangstalent entdeckt und sie auf eine Musikschule nach Paris schicken will. Doch kann sie ihre Familie einfach so verlassen?

Die Story erinnert stark an Jenseits der Stille, nur besteht das musikalische Talent der Protagonistin hier im Gesang. Der Grundkonflikt ist jedoch derselbe und wird überdies in den dargebotenen Chansons von Michel Sardou widergespiegelt, was manchmal komisch, am Ende sogar bewegend ist. Insgesamt kommt die Musik leider ein wenig zu kurz, was sehr schade ist.

In erster Linie geht es um die diversen Probleme der Familie, um die Bewerbung des Vaters Francois Damien) als Bürgermeister, um die Mutter (Karin Viard), die ihre Tochter nicht gehen lassen mag, und vor allem um Paula, die ihren eigenen Weg finden muss, sich das erste Mal verliebt und im Gesang neues Selbstbewusstsein entdeckt. Das alles ist hervorragend gespielt und sensibel umgesetzt. Die Béliers wirken zwar oft überdreht und schrullig, sind aber allesamt höchst liebenswert, so dass die Zeit mit ihnen viel zu schnell vergeht.

Heitere, beschwingte Unterhaltung aus Frankreich.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.