Karneval oder Fasching ist nicht jedermanns Sache. Als Kind fand ich es super, mich zu verkleiden, von Haus zu Haus zu ziehen und singend um Süßigkeiten zu betteln (wobei wir die Süßigkeiten möglicherweise auch nur bekamen, damit wir endlich aufhörten zu singen). Leider verläuft durch meine Heimatstadt die Jeckengrenze, und ich war auf der falschen Seite. Vermutlich deswegen hält sich meine Begeisterung für Karnevalssitzungen heute eher in Grenzen.
Zum Glück hatte Arte gestern ein interessantes Programm mit einem Filmklassiker, den man sonst nie im Fernsehen sieht.
The Palm Beach Story – Atemlos nach Florida
Gerry (Claudette Colbert) und Tom (Joel McCrea) lieben sich zwar, sind aber hoffnungslos pleite, was auf Dauer ihre Ehe gefährdet. Deshalb beschließt Gerry, sich in Palm Beach scheiden zu lassen und einen reichen Mann zu heiraten, der dann Toms neueste Erfindung finanzieren soll. Tom ist jedoch gegen den Plan und verfolgt seine Frau, als sie heimlich abhaut. Tatsächlich trifft sie unterwegs J.D. Hackensacker III (Rudy Vallee), einen der reichsten Männer der Welt, der sich umgehend in sie verliebt, und als Tom auftaucht, gibt sie ihn kurzerhand als ihren Bruder aus …
Schon der Titelvorspann erzählt eine komplette, äußerst turbulente Geschichte inklusive Happy End, deren Sinn sich einem allerdings erst ganz zum Schluss erschließt – für damalige Sehgewohnheiten ein beinahe schon radikales Konzept. Auch sonst geht es flott und chaotisch zu, wie es sich für eine Screwball Comedy gehört.
Trotz wunderbarer Dialoge und herrlicher Verwicklungen ist die Story insgesamt doch recht dürftig, weshalb Regisseur und Autor Preston Sturges einige obskure Sequenzen eingefügt hat, die sehr amüsant und gesellschaftskritisch sind, die Geschichte aber nicht so recht voranbringen. Auch die Verwechselungen, die zum Liebeswirrwarr führen, werden zu schnell aufgelöst, ein Billy Wilder hätte sicherlich mehr daraus gemacht.
In diesem Genre geht es immer auch um den Geschlechterkampf und traditionelle Rollenbilder, die zwar grundsätzlich nicht in Frage gestellt, aber gehörig auf die Schippe genommen werden. So kann Gerry zwar nicht kochen, nähen oder mit sonstigen hausfraulichen Qualitäten aufwarten, weiß aber äußerst geschickt, ihre weiblichen Reize einzusetzen und die Männer um den Finger zu wickeln. Wenn die Frau schon auf ein reines Schauobjekt reduziert werden soll, setzt sie ihre Schönheit eben als Waffe gegen die Männer ein. In der Regel (wie auch in diesem Film) erweisen sich die weiblichen Heldinnen als cleverer und eloquenter als ihre männlichen Partner.
Atemlos nach Florida ist nicht nur eine Geschlechterkomödie, sondern auch ein modernes Märchen, in dem sagenhaft reiche Männer einer schönen Frau bedenkenlos Geld, Diamantarmbänder oder einen Flugplatz schenken. Der Film ist vor allem aber eine Satire auf den Lebensstil der Oberen Zehntausend, ihre Marotten und Verrücktheiten, verkörpert durch Hackensacker, der eine trottelige Version Rockefellers ist und von Schnulzensänger Rudy Vallee verkörpert wird (der uns eine Kostprobe seines Könnens liefert, die die entscheidende Wende bringt), und seiner Ehemänner verschleißenden Schwester, hervorragend gespielt von Mary Astor. Allein wegen ihrer Darstellung lohnt es sich, den Film zu sehen. Und Claudette Colbert ist natürlich wie immer wunderbar.
Note: 2