Ein Mann und sein Hund

Gestern traf ich meine Nachbarin, die mit einem Hund spazieren ging. Der Hund war neu, eine ganz junge, bildhübsche Mischlingsdame (irgendwas mit Schäferhund, würde ich sagen). Natürlich kommt man da ins Gespräch, immerhin hatte sie nie einen Hund haben wollen, obwohl ihre Tochter ihr schon seit Jahren damit in den Ohren liegt. Wer Kinder hat, weiß, wie sich dieses Jammern anhört, da wird hoch und heilig versprochen, sich immer, aber auch wirklich immer um das Tier zu kümmern – wobei „immer“ ungefähr vier Wochen bedeutet. Den Rest der Zeit, bis der Hund den Weg allen Irdischen geht, sind dann die Eltern dran.

Meine Mutter war damals konsequent. Sie hatte auch nie einen Hund haben wollen, ich schon, und natürlich habe auch ich Versprechungen gemacht. Mein Vater brachte eines Tages einen Hund mit, halb Dackel, halb Cockerspaniel, der eingeschläfert werden sollte. Man kann sich die Begeisterung meiner Mutter vorstellen. Zwei Wochen lang hab ich mich tapfer um ihn gekümmert, dann wurde ich krank. Als ich wieder gesund war, gehörte der Hund unseren Nachbarn, mit der Begründung, dass ich ja nicht mit ihm Gassi gehen konnte. Ich fand die Argumentation meiner Mutter damals ziemlich unfair, zumal sie mir verboten hatte, mit Fieber das Haus zu verlassen.

Einige Zeit später bekam ich eine Katze, die ich sogar noch lieber mochte als meinen Hund, schließlich musste man nicht drei Mal am Tag mit ihr durch den Wald laufen. Dafür war da noch die Sache mit dem Katzenklo, das gesäubert werden musste, aber das war kein Problem, schließlich hatte ich versprochen, mich immer, auch wirklich immer darum zu kümmern …

John Wick

John Wick (Keanu Reeves) hat gerade seine geliebte Frau zu Grabe getragen, da erhält er von ihr ein posthumes Geschenk – einen Welpen, der ihm helfen soll, über den Verlust hinwegzukommen und das Leben an sich wieder wertzuschätzen. Ihr Plan geht auf, bis John zufällig auf ein paar russische Rotzlöffel trifft, die es auf seinen Wagen abgesehen haben. In der Nacht brechen sie bei ihm ein, stehlen den Mustang und töten den Hund. Was sie nicht wissen: John Wick ist ein legendärer Auftragsmörder der Russen-Mafia. Er schwört Rache, und nicht einmal Gangsterboss Viggo (Michael Nyquist), der Vater von einem der Räuber, kann ihn daran hindern, auch wenn er es mit allen Mittel versucht.

Zugegeben, die Geschichte ist vielleicht ein ganz kleines bisschen zu weit hergeholt, aber da die Bedeutung des Hundes für den Helden sehr schön verdeutlicht wurde (und der Welpe außerdem ziemlich süß aussieht), kann man seine Wut gut nachvollziehen. Der Rest ergibt sich dann von selbst, wenn beide Parteien bis an die Zähne bewaffnet und unberechenbar sind.

Dennoch unterscheidet sich der Film auf wohltuende Art von anderen seines Genres, indem er eine Welt kreiert, die nicht so ganz die unsere ist. Da gibt es ein obskures Hotel für Gangster und Profikiller, das eine neutrale Zone darstellt und in dem keine Fragen gestellt werden, selbst dann nicht, wenn ein Gast blutverschmiert an der Rezeption erscheint. Und wehe dem, der die Regeln bricht, der bekommt es mit Winston (Ian McShane) zu tun. Bezahlt wird mit mysteriösen Goldmünzen, die man als Killer von Welt natürlich immer dabei hat.

Neben diesem merkwürdigen, aber nicht uninteressanten Setting, das man gut zu einer Fortsetzung oder gar TV-Serie ausbauen könnte, gibt es noch eine ganze Reihe bekannter und guter Schauspieler, die für die nötige Qualität sorgen: Willem Dafoe, John Leguizamo, Bridget Moynahan und Lance Reddick verleihen ihren Nebenfiguren Charakter, Adrianne Palicki ist hübsch böse, und Alfie Allen scheint seit Game of Thrones auf großmäulige Figuren mit Vaterkomplex abonniert zu sein. Aber auch die Action sowie zu großen Teilen die Musikauswahl ist gut gelungen.

Einziges Manko: Obwohl John Wick, wie es sich für einen Actionhelden gehört, recht wortkarg ist, erklärt er Viggo in einer Szene, was ihn im Innersten bewegt. Das ist nicht nur schlecht geschrieben, sondern auch ungelenk umgesetzt. Auch der letzte Teil, in dem Viggo noch einmal die Karten neu mischt, wirkt wenig organisch, sondern wie nachträglich angehängt, weil man gemerkt hat, dass der Film zu kurz ist. Man kann seine Logik zwar nachvollziehen, dennoch ist es im Grunde überflüssig.

Insgesamt ein unterhaltsamer Actionfilm mit einer besonderen Note. John Wick darf gerne wiederkommen.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.