In meinem Jahresrückblick ist mir, wie im Forum zu Recht angemerkt wurde, ein Fehler unterlaufen: Die Anschläge von Paris waren natürlich nicht 2014, sondern Anfang 2015. Das kommt davon, wenn man seinen Rückblick erst Anfang Februar verfassen kann und nicht mehr weiß, welches Jahr wir gerade schreiben (gefühlsmäßig habe ich sowieso erst 2012, weil die Zeit mich irgendwann abgehängt hat, aber das ist eine andere Geschichte). Da der Januar nach dem römischen Janus benannt ist, jenem zweigesichtigen Gott, der gleichzeitig nach vorn und zurück blicken kann, kann man diese Ereignisse thematisch vielleicht noch zum Katastrophenjahr 2014 rechnen und hoffen, dass heuer alles besser wird. Wer in letzter Zeit jedoch aufmerksam die Nachrichten verfolgt hat, ist jetzt vermutlich skeptisch.
Kurz vor Veröffentlichung des Rückblicks konnte ich noch einen Film aus dem vergangenen Jahr nachholen, der für vier Oscars (Hauptdarstellerin, Musik, Drehbuch und bester Film) nominiert war, am Ende allerdings leer ausging:
Philomena
Der ehemalige BBC-Moderator Martin Sixsmith (Steve Coogan) verliert seinen Job in einem Ministerium und weiß mit sich und seiner Freizeit nicht so recht etwas anzufangen. Durch Zufall stößt er auf die Geschichte von Philomena (Judi Dench), die nach fünfzig Jahren ihrer Familie offenbart, dass sie als junge Frau einen unehelichen Sohn bekam, der gegen ihren Willen von Nonnen in Irland zur Adoption freigegeben wurde. Gemeinsam machen sich die beiden auf die Suche nach dem Kind …
Human Interest-Storys sind nicht so sehr nach Sixsmiths Geschmack, und auch als Zuschauer schreckt man vor diesen rührseligen Geschichten ja eher zurück. Auch die skandalösen Zustände in den irischen Magdalenen-Heimen wurden schon häufiger filmisch aufgearbeitet (zum Beispiel in Die unbarmherzigen Schwestern), und so scheint Philomena auf den ersten Blick kein besonders interessanter Film zu sein – wenn Judi Dench nicht die Titelrolle spielen würde. Mit Herzenswärme und großem Einfühlungsvermögen verkörpert sie perfekt diese naive, etwas schlichte Frau, eine ehemalige Krankenschwester, die bei näherer Betrachtung voller Überraschungen steckt. Das erkennt auch Sixsmith, während er mit Philomena zuerst nach Irland und dann weiter in die USA reist, und so langsam entsteht eine freundschaftliche Verbindung zwischen ihnen. Philomena ist vielleicht keine gebildete, aber eine sehr lebenskluge, offene und vorurteilsfreie Frau und trotz allem immer noch bekennende Christin. Auch daran reibt sich der atheistische Journalist, der das unmenschliche und grausame Gebaren der Nonnen geißelt und sie und damit die katholische Kirche bloßstellen will, bis er ganz zuletzt eine Lektion in Sachen Christlichkeit erteilt bekommt, die nicht nur ihn, sondern auch die Missetäter beschämt.
Der Film überrascht immer wieder, weil seine Hauptfigur so ganz anders ist, als man zunächst erwartet, und weil er sich dem Melodramatischen verweigert, das einer solchen Geschichte nur zu leicht anhaftet. Philomena wird am Ende ihren verlorenen Sohn finden, aber auf gänzlich andere Weise, als man zunächst denkt, und das wird ebenso klug wie behutsam, berührend, aber nicht rührselig erzählt. Ein wunderbarer Film.
Note: 2