Sprachbarrieren

Jedes Mal, wenn ich in Italien bin, denke ich, dass ich endlich damit beginnen sollte, die Landessprache zu erlernen. Zu Hause und mit der Aufgabe konfrontiert, siegt dann wieder mein innerer Schweinehund, der mir zuflüstert, dass ich ja gar nicht so oft nach Italien fahre, um meine Sprachkenntnisse anzuwenden.

Heute Morgen war es allerdings wieder so weit, der Gärtner sagte mir, dass er seine Arbeit wegen des beginnenden Regens abbrechen müsse, morgen aber wiederkommen werde, falls es niederschlagsfrei wäre, ansonsten würden wir uns übermorgen sehen. Ein, zwei Sätze nur, aber ich habe erst nach etlichen Minuten und sehr viel Herumgefuchtel mit Händen und Füßen verstanden, was er eigentlich wollte. Immerhin sind die Leute sehr geduldig, sie sprechen langsam, benutzen nur einfache Worte und unkomplizierte Satzkonstruktionen und wiederholen alles immer und immer wieder. Nur fühle ich mich jedes Mal dabei wie ein Vollidiot. Seit Sonntag leuchtet eine Warnleuchte am Armaturenbrett unseres Autos. Der Katalysator muss kontrolliert werden – und ich freue mich schon darauf, dem Mechaniker in der Werkstatt das vorzutanzen …

Ansonsten passiert hier nicht sehr viel. Auf einer Postkarte an die Lieben daheim würde man vermutlich schreiben, das Wetter ist angenehm kühl, wenn auch viel zu warm für die Jahreszeit, aber leider etwas feucht. Und windig. Aber wir gehen viel spazieren und genießen die Ruhe.

imageÜbersetzt bedeutet das: Es regnet immer wieder, und der Sturm reißt beinahe das Haus ein. Und die Hunde bekommt man nur mit sehr vielen Leckerlis dazu, eine Pfote vor die Tür zu setzen. Inzwischen heult der Wind wie eine ganze Horde blutrünstiger Gespenster, und die nassen Hunde müffeln. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich eher ein Katzenmensch bin.

Im Dorf gibt es nur drei Lokale, und keines davon soll wirklich gut sein. Außerdem braucht man gut zehn Minuten, bis man dort ist, und dann gibt es immer noch die Verständigungsprobleme. Also koche ich selbst, sogar Italienisch, was vermutlich wenig überrascht. Auf der anderen Seite ist es hier verdammt schwer, etwas Exotisches zu bekommen. Quark zum Beispiel oder eine mexikanische Gewürzmischung, wie sie bei uns jeder Supermarkt führt. Asiatische Zutaten sind auch extrem schwer zu erhalten, es gibt hundert Sorten Pasta, aber Glasnudeln? Fehlanzeige. So habe ich heute ein Kilo Spinat zu einer winzigen Handvoll Gemüse verkocht und mit Unmengen Parmesan, Butter und Knoblauch zu einer gehaltvollen und auch leckeren Sauce verarbeitet. Muss ich zu Hause auch mal ausprobieren. Pinienkerne hätten sich vermutlich auch ganz gut darin gemacht, aber so was fällt mir natürlich immer erst dann ein, wenn ich eine halbe Autostunde vom Supermarkt entfernt bin. Als Stadtmensch hat man es da auch viel leichter. Zwar gibt es hier auch Pinien, doch jeder Zapfen, den uns der Wind um die Ohren haut, wird sofort von den Hunden als Spielball missbraucht.

Spätestens Mittwoch müssen wir wieder ins Dorf fahren, um frisches Gemüse für uns und die Esel einzukaufen, bis dahin sollte ich vielleicht ein paar Vokabeln lernen. Unsere Gemüsefrau freut sich nämlich immer sehr, wenn ich meinen Sellerie auf Italienisch bestelle. Laut Lexikon heißt er hier sedano. Das darf ich jetzt nicht mehr vergessen.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.