Interstellar

Samstag war ein guter Tag: Ein gemütliches Frühstück, endlich mal Zeit für etwas Lektüre, die nichts mit der Arbeit zu tun hat, einfach ein bisschen faulenzen. Gegen Mittag ein spontanes Treffen mit Freunden in einem Café (leider nicht auf der Terrasse in der Sonne, aber egal), ein Stück Kuchen und Kakao, sehr lecker, sehr kalorienreich, aber was soll’s? Anschließend ein Kinofilm und danach ein frühes Abendessen (Falafel), später dann ein weiteres Treffen mit Freunden. Ja, Samstag war ein guter Tag. Und welchen Film habe ich gesehen?

Interstellar

Die Erde stirbt, Staubstürme verwüsten das Land, und die Ernten werden von Schädlingen vernichtet. Schon längst hat die Regierung kein Geld mehr für Forschung, Medizin oder das Militär, man vegetiert mehr oder weniger dahin. Der Ex-Nasa-Pilot Cooper (Matthew McConaughey) bewirtschaftet nun eine kleine Farm und kümmert sich seit dem Tod seiner Frau um die beiden halbwüchsigen Kinder. Ein geheimnisvolles Signal, das seine Tochter Murph entdeckt, führt ihn zu einer geheimen Anlage, in der unter der Leitung von Professor Brand (Michael Caine) an einem Raumfahrtprogramm gearbeitet wird. Die Menschen haben schon seit Jahrzehnten mysteriöse Botschaften aus dem All empfangen, die zu einem künstlich geschaffenen Wurmloch führen – das Tor zu einer neuen Welt. Cooper und Brands Tochter (Anne Hathaway) machen sich mit zwei weiteren Astronauten auf den Weg, um die schon vor Jahren gestarteten Pioniere zu suchen, die potentielle Welten auf ihre Bewohnbarkeit testen sollten.

Ich bin kein Freund von Christopher Nolans Filmen, von denen mir lediglich Memento und Batman Begins gefallen haben. Er ist unbestritten ein guter Regisseur, aber leider ein schlampiger Drehbuchautor, dessen Geschichten nur zu oft auf die Logik pfeifen und den gesunden Menschenverstand beleidigen. Es gibt viele, die sich nicht daran stören. Ich schon. Deshalb gehörte ich auch nicht zu jenen, die sich bereits zu Jahresbeginn auf Interstellar gefreut haben, eher im Gegenteil. Und ich bin auch ohne jegliche Erwartung ins Kino gegangen.

Umso überraschter war ich von der ersten Hälfte des Films, die durchweg gelungen ist. Es gibt sympathische Charaktere, Emotionen, die Nolan sonst gerne ausblendet, und ein Geheimnis (dessen Auflösung man allerdings von Anfang an erahnt). Das Problem, um das sich die Story dreht, ist elementar, geht es doch um nichts weniger das Überleben der gesamten Menschheit, um Umweltzerstörung und die Frage, ob wir unseren Planeten, unsere Heimat, aufgeben sollen. Ein bisschen erinnert der Film an die Zeit der großen Depression, an die Flüchtlingstrecks gen Westen in den Dreißiger Jahren, als gewaltige Sandstürme den Mittleren Westen verwüsteten. Nur eben in größeren Dimensionen.

Viel erzählt uns Nolan nicht über diese düstere Zukunft, und hundertprozentig glaubwürdig ist es auch nicht, aber das stört nicht weiter. Sicherlich ist es naiv zu glauben, dass es aus Kostengründen kein Militär mehr gibt, wenn gleichzeitig die weltweiten Ressourcen immer knapper werden – das Gegenteil ist wohl eher der Fall. Doch das sind Kleinigkeiten. Die Story selbst ist solide, spannend und mitreißend erzählt, und man ist sogar hin und wieder berührt. Das bleibt auch so, bis das Raumschiff sein Ziel erreicht hat.

Leider fällt die Geschichte danach ab. Sie ist teilweise immer noch hochspannend und bewegend, vor allem zum Ende hin, aber es offenbaren sich doch auch einige Schwächen. Die größte ist, dass es Nolan nicht gelingt, das technische Problem, dem die Hauptfiguren gegenüberstehen, verständlich zu erklären (vielleicht bin ich auch nur zu dumm, es zu begreifen) und dann eine plausible Lösung anzubieten. Cooper sagt ganz zu Anfang, dass die Menschen bislang noch immer einen Weg gefunden hätten, ihre Probleme zu beseitigen und aus schwierigen Situationen einen Ausweg zu finden. Er selbst schafft es auch immer wieder auf eindrucksvolle Weise, sich und die Crew aus gefährlichen Situationen zu befreien, dank seiner Cleverness und seines Improvisationstalents. Das gilt für viele kleine Momente, aber leider nicht für die Geschichte an sich, die an eine Episode aus Münchhausens Erzählungen erinnert, in der der Held sich am eigenen Schopf aus einem Sumpf zieht. Hier ist die Menschheit eine ignorante, selbstverliebte und überhebliche Spezies, die ohne Hilfe von außerhalb dem Untergang geweiht ist, und angesichts des Bildes, das Nolan zeichnet, wäre es vielleicht sogar besser so, bevor sie den nächsten Planeten ruiniert.

Weil den Nolan-Brüdern als Drehbuchautoren leider keine vernünftige Lösung eingefallen ist, flüchten sie sich abermals in unbewiesene Behauptungen und eine hippieeske Metaphysik, in der, grob gesagt, die Liebe zum Klebstoff des Universum erklärt wird. Das ist auf etwas schmalzig Art sogar ganz nett, passt aber nicht zum Rest des Films, der so viel Wert auf naturwissenschaftliche Genauigkeit legt. So bleiben zum Schluss viele unaufgelöste Widersprüche und Logikfehler.

Was noch vom Film bleibt, sind schöne Bilder, gute darstellerische Leistungen, überraschend viel Humor und Gefühl, beides sonst nicht gerade Nolans Stärken, und das gewohnte Gefühl von Enttäuschung. Dennoch hat der Film in der Summe sehr viel Schönes. Daher:

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.