David Fincher gehört zu den besten Regisseuren der Gegenwart, weshalb seine Filme stets Pflichtprogramm sind – und oft auch ein Vergnügen. Sieben ist leider der einzige Film von ihm, den ich wirklich großartig finde, und zwar in inhaltlicher wie in handwerklicher Hinsicht. Doch selbst seine weniger gelungenen Arbeiten – so war ich von The Social Network schon sehr enttäuscht – sind jedes Mal so intensiv, so überraschend innovativ, dass sie nie langweilen. Am Wochenende hatte ich endlich Zeit, mir sein neuestes Werk anzuschauen.
Gone Girl – Das perfekte Opfer
Als Nick Dunne (Ben Affleck) an seinem fünften Hochzeitstag nach Hause kommt, ist seine Frau Amy (Rosamund Pike) verschwunden. Es gibt Hinweise auf einen Kampf und ein Verbrechen, aber diese passen nicht so recht zusammen. Die Polizei steht vor einem Rätsel, die Öffentlichkeit und die Medien werden bald auf den Fall aufmerksam – und ganz langsam gerät Nick unter Verdacht, etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun zu haben …
Der Trailer versprach einen Thriller, aber schon sehr bald wird klar, dass es in dieser Geschichte nicht um ein Rätsel und seine Auflösung geht, sondern um zwei Menschen, ihre Ehe, ihre Erwartungen an sich selbst, den Partner und das Leben, vor allem aber um die Rollen, die wir Menschen spielen, die Bilder, die wir von uns entwerfen – für uns, noch mehr aber für die anderen. James Salter hat in seinem Roman Lichtjahre sinngemäß geschrieben, dass es zwei Leben gibt, die wir führen, ein öffentliches, von dem jeder glaubt, es zu kennen, und ein privates, und dass es immer letzteres ist, das uns Probleme bereitet.
„Wer bist du?“, ist einer der ersten Sätze, der in Gone Girl gesagt wird, und er ist Programm. Wer ist der Andere, den die beiden Eheleute jeweils zu kennen und zu lieben glauben, wie sehr unterscheidet er sich von dem Bild, das sie sich gemacht habe, von ihren Vorstellungen und Sehnsüchten? Das sind faszinierende Fragen, die einmal auf einer privaten Ebene durchgespielt werden und dann noch einmal auf einer öffentlichen, denn die Medien zeichnen ebenfalls Bilder von Nick und Amy, versuchen, sie zu erklären, sie in Rollen zu pressen, nicht um der Wahrheitsfindung willen, sondern aus ihren höchsteigenen Motiven. So entsteht ein spannendes Spiel um Wahrnehmung und Rollenverhalten, das interessanter ist als jeder Krimi.
Die Geschichte selbst hat ein paar Mankos. Dass man jede Entwicklung, jeden Wendepunkt schon früh erahnt, ist keiner davon, sondern Programm. Es gibt keine Überraschungen, alles wird sorgfältig vorbereitet, weshalb die Story im ersten Drittel etwas langsam ist, aber es braucht die Zeit, um Amys und Nicks Vergangenheit zu bebildern – und um den Zuschauer mit einigen Lügen zu verwirren. Letzteres ist grenzwertig, weil es dazu führt, dass man schließlich alle Rückblenden in Zweifel zieht und sich fragt, wie die Geschichte dieses Paares wirklich abgelaufen ist. Was hat sie dazu gebracht, sich ineinander zu verlieben? Und was ist in den Jahren danach so schiefgelaufen? Leider wird das nicht eingehend genug erhellt. Der Roman mag darauf vielleicht Antworten liefern.
Der Kriminalplot, den es zwangsläufig auch gibt, war für mich der größte Schwachpunkt, denn die Story funktioniert in letzter Konsequenz nur, weil die Polizei und das FBI schlampig zu arbeiten scheinen und gewisse Fragen einfach nicht gestellt werden. Entschädigt wird man durch ein faszinierendes, beinahe perfides Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden Eheleuten. Das ist hervorragend gespielt und herrlich abgründig. Niemand kommt gut dabei weg, sympathisch ist auch keiner, und bisweilen ergibt sich daraus ein rabenschwarzer Humor, bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Note: 2-