Es war die erste Nachricht des Tages: Robin Williams ist tot. Ich habe sie noch vor dem Frühstück gehört bzw. gelesen und wollte danach am liebsten wieder ins Bett gehen. Ein Tag, der so anfängt, kann nicht mehr gut werden. Als Mark G. mich später anrief und fragte, ob ich nicht einen Nachruf auf ihn schreiben wolle, wollte ich zuerst ablehnen. Erstens gibt es schon sehr viele und sicherlich bessere Nachrufe in den Medien, zweitens schreibe ich auch sonst keine und drittens finde ich es extrem schwer, dem Leben eines Menschen gerecht zu werden, von dem man nur eine bestimmte Seite kennt, sein öffentliches Image, das vermutlich wenig mit seinem Charakter, seinem persönlichen Leben zu tun hatte. Wir alle führen schließlich zwei Leben, eines, das aus der Fassade besteht, die wir den anderen zeigen, und eines, das dahinter verborgen liegt. Und niemals erscheint der Unterschied zwischen beiden größer als bei einem Selbstmord.
Im Zusammenhang mit Robin Williams war vielfach das Wort „Clown“ zu lesen, dabei war er weit mehr als nur ein Spaßmacher, denn selbst in seinen überdrehtesten Komödien schimmerte immer eine leise Traurigkeit hindurch. So in Mrs. Doubtfire – das stachelige Kindermädchen, das von der Verzweiflung eines Vaters handelt, der seinen Kindern nahe sein will. Das Tragische und das Komische liegen stets nahe beieinander, und Robin Williams verstand es geschickt, sowohl das eine als auch das andere zu verkörpern, oft in derselben Rolle, manchmal sogar in derselben Szene. Das zeichnet einen großen Komiker aus.
Ich bin kein Fan von Klamauk, und mir graut es vor den seelenlosen Pippi-Kacka-Komödien eines Judd Apatow, die meist von neurotischen, selbstverliebten Menschen handeln. Da war mir ein überdrehter Robin Williams allemal lieber, auch wenn ich kein Fan von Jumanji oder Flubber war. An Mork vom Ork kann ich mich nicht erinnern, obwohl ich einige Folgen sicherlich gesehen habe, ich weiß nicht, worum es ging, aber ich erinnere mich an Robin Williams in dieser Rolle, die so prägnant war, dass sie ihn seine gesamte Karriere über begleiten sollte.
Erstmals bewusst aufgefallen ist er mir in Good Morning, Vietnam – aber auch hier ist mir nur noch sein titelgebender Spruch in Erinnerung, mit den unnachahmlich in die Länge gezogenen Vokalen. Vielleicht macht das die Größe eines Talents aus, dass man sich an den Mimen eher erinnert als an die Rolle oder den Film.
Der Club der toten Dichter war für mich sein bester, weil berührendster Film, pathetisch vielleicht, aber auch eben einer der wenigen Streifen, bei denen ich regelmäßig in Tränen ausbreche. Ich muss nur an „Oh, Captain, mein Captain“ denken, dann steigt mir das Wasser in die Augen.
Robin Williams gehört vielleicht nicht zu meinen absoluten Lieblingsschauspielern, und es ist viele Jahre her, seit ich ihn das letzte Mal auf der großen Leinwand gesehen habe, aber ich habe mich immer gefreut, wenn er – und sei es in einem Cameo – irgendwo auftauchte. Seine Filme zählen, mit einer Ausnahme, auch nicht unbedingt zu meinen Lieblingsfilmen, und etliche davon habe ich nicht einmal gesehen. Wer weiß, ob er sie selbst alle gesehen hat, denn zahlreiche Rollen hat er angeblich nur wegen des Geldes angenommen.
Steven Sondheim schrieb Anfang der Siebziger Send in the Clowns, einen der schönsten, melancholischsten Songs über das Bedauern. Wenn im Theater etwas gründlich schief geht, heißt es: Schickt die Clowns. Sie sollen ablenken von dem Chaos, dem Schrecken. Beim Rodeo gibt es Rodeo Clowns, die den Bullen vom gestürzten Reiter fernhalten, damit er in Sicherheit gebracht werden kann. In einigen seinen besten Rollen war Robin Williams ein solcher Clown, ein Spaßmacher, der vom Schmerz in der Welt ablenkt, der den wütenden Blick des Bullen auf sich zieht, damit wir uns in Sicherheit bringen können.