Vor ein paar Tagen waren wir im Dorf einkaufen. Poli ist nicht groß, hat nur knapp 3000 Einwohner, eine entzückende Altstadt und keine Touristen. Wir fallen dort, wo jeder jeden kennt, also auf wie ein bunter Hund. Zum Glück wurden wir schon zu Anfang herumgeführt und einigen Leuten persönlich vorgestellt, nur erinnert sich vermutlich keiner mehr an unsere Namen, weiß nun aber immerhin, dass wir vertrauenswürdig sind und kein Italienisch können. Entsprechend kompliziert ist die Verständigung, die meist mit Händen und Füßen erfolgt und von hilflosem Achselzucken auf beiden Seiten begleitet wird. Aber alle sind furchtbar nett, reden sehr langsam, aber unverdrossen Italienisch und dank meines großen Latinums verstehe ich auch hin und wieder etwas.
Wenn unser Freund aus dem Dorf Englisch spricht, klingt das ein bisschen nach Gollum. „Dogse and Catse“ zum Beispiel. Hobbitse. Irgendwie ist das charmant. Beim Einkaufen hilft uns Englisch allerdings auch nicht weiter, dafür eher ein Wörterbuch und ein freundliches Lächeln. Unsere Gemüsehändlerin ist eine kleine, energische Person mit tiefer, lauter Stimme (mehr Alf als Gollum, aber lassen wir das lieber …), die mir ein bisschen Angst macht. Dank diverser Übersetzungsprogramme aus dem Internet versuche ich, meine Einkäufe auf Italienisch zu erledigen, was sie mächtig freut. Zusammen mit dem Lob bekam ich neulich eine Karotte und eine Stange Sellerie mit etwas Grün gratis, wusste aber nichts damit anzufangen, und fragen konnte ich sie ja nicht. Ich denke, es ist für die Esel – oder für eine Suppe.
Einen Supermarkt gibt es hier nicht, sondern tatsächlich noch winzige Tante Emma-Läden mit dem Charme der Vorkriegszeit. Der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, wohl gemerkt. Die Geschäfte sind nur wenig größer als die Unterstände für die Einkaufswagen vor den deutschen Supermärkten und vollgestellt mit Waren, die sich auf Regalen bis zur Decke stapeln. Im Obst- und Gemüseladen gibt es auch Waschmittel und anderen Kleinkram, beim Metzger kann man neben Fleisch Kekse, Käse und Konserven erwerben, und dann ist da noch ein dritter, wegen der Schönheit seiner Inhaberin geradezu berühmter Laden, der wie ein Mini-Supermarkt anmutet und leckeres Eis verkauft und noch besseren Schinken, von dem wir beim Einkauf zwei große Scheiben probieren dürfen. Pasta führen sie natürlich alle, schließlich sind wir in Italien. Irgendwie ist es nett, von einem Geschäft zum anderen zu schlendern, ein bisschen hier, ein wenig dort zu kaufen, und wenn die Sprachbarriere nicht wäre, könnte man auch ein Schwätzchen halten.
Ein wenig ist es wie eine Zeitreise ins letzte Jahrhundert. Nur die Handys stören das Bild. Die Italiener telefonieren nämlich gerne, vorzugsweise, wenn sie laufen. Als ich in den Achtzigern eine Klassenfahrt in die Toskana unternommen habe, warnte uns unser Lehrer davor, allzu sorglos spazieren zu gehen. Angeblich würden die Italiener das Konzept des ziellosen Schlenderns nicht kennen und darüber lächeln, außerdem müsse man grundsätzlich sehr vorsichtig sein im Straßenverkehr. Seither hat sich viel verändert, denn wir sehen eine Menge Spaziergänger, und fast alle telefonieren beim Laufen. Außerdem gibt es sogar Jogger, deren Geschwindigkeit minimal über der der Spaziergänger liegt, und Radfahrer – Italien hat tatsächlich den Sport entdeckt. Nur im Straßenverkehr muss man immer noch vorsichtig sein.