Bambusgeflüster

Vergangenen Samstag waren wir mit unseren Freunden aus Poli essen. Sie hatten uns von einem Agritourismus-Betrieb erzählt, der wenige Kilometer entfernt in den Bergen residiert. Das Konzept ist ein bisschen wie Ferien auf dem Bauernhof: Man wohnt preiswert in einem bescheidenen Hotel auf dem Lande, kann in diesem Fall Pferde mieten, um Ausritte zu machen oder Ausflüge und Wanderungen in die Berge zu unternehmen. Das angeschlossene Restaurant verarbeitet vor allem lokale Produkte und hat sich seit dem Besitzerwechsel vor ungefähr sechs Jahren einen guten Ruf erkocht.

Le Cannucceta (Der Bambus) heißt die Anlage und liegt in der Gemeinde Castel San Pietro Romano. Die Anfahrt führte über eine abenteuerliche Straße, die recht neu ist, sich aber durch enge, bewaldete Täler schlängelte und steile Hügel hinaufführte. Ich habe schon Achterbahnen gesehen, die weniger steil und kurvenreich waren, und manchmal waren die Straßen so schmal, dass Ampeln regelten, wann man in welchen Richtung fahren durfte. Oben angekommen, hat man dann aber einen wunderschönen Blick auf die umliegenden Berge und hin und wieder sogar auf Rom. Besonders nachts sehr eindrucksvoll.

Die Anlage ist wenig luxuriös, aber sehr gepflegt, es gibt einen künstlich angelegten Teich mit Fischen, die man auch zum Essen bestellen kann. Die Pferde stehen nicht auf der Karte, dafür aber Bisonfleisch aus Kanada. Die Preise sind normal, die Küche so gut, dass sogar Besucher aus dem nicht so fernen Rom anreisen, um hier einen Tag zu verbringen und abends nett essen zu gehen.

Wir teilten uns als Appetitanreger zwei superdünne, krosse Pizzen mit Pilzen und Schinken, gefolgt von der unvermeidlichen Pasta in Form von getrüffelten Ravioli sowie einer sehr leckeren Variante mit Ricotta-Spinat-Füllung. Dann gab es noch zwei Sorten Fettuccine, von denen die eine von Pilzen begleitet wurde, während die andere mit einer sehr schmackhaften Sauce aus dem Fleisch einer besonderen (schwarzen) Schweinerasse serviert wurde und als „Gattenwürger“ bekannt ist. Vermutlich das lokale Pendant zum bekannteren Gericht namens „Pfaffenwürger“…

Eigentlich war ich danach schon satt, aber anschließend wurde noch das Hauptgericht serviert: Steak, in schmale Streifen geschnitten und in einer Ecke des großen Saales im Kamin über Holzkohle gegrillt. Dazu gab es Rucula mit Balsamico und Bratkartoffeln. Ich muss gestehen, ich habe es nicht einmal ansatzweise geschafft, zumal unsere Gastgeber noch eine lokale Spezialität zum Nachtisch bestellt hatten, die mir schließlich den Rest gab: Es war eine – Schokoladenpizza. Wieder ein hauchdünner Hefeteig, der kross gebacken wurde, belegt mit Ricotta, weißer und Nougatschokolade und dick mit Kakaopulver bestreut. Unerwartet lecker und eine Kalorienbombe ohnegleichen.

Überraschend war, dass das Restaurant, das immerhin über zwei große, einen kleinen Saal und eine lange Veranda verfügt, nahezu ausgebucht war. Das Ganze hat ein bisschen was von einem Festzelt auf dem Oktoberfest oder dem Gemeinschaftssaal einer Kleingartenanlage. Eine Gesellschaft feierte hier eine Goldene Hochzeit, ansonsten sah man viele Familien mit Kindern. Richtig voll wurde es auch erst um neun Uhr, wenn man hierzulande zu Abend isst. Ich denke um diese Zeit im Moment eher daran, bald ins Bett zu gehen, schließlich wecken mich um sechs Uhr in früh die Hunde.

Nach zweieinhalb Stunden anstrengenden Gemästetwerdens, netten Gesprächen (und ein bisschen Fußball im Hintergrund) fuhren wir wieder heim. Unterwegs zur Landstraße begegneten uns ein freilaufendes Pferd und zwei Kühe – und das im Dunkeln. Da merkt man wieder, dass man sich hier auf dem Land befindet…

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.