Mark G. hat bereits im Frühjahr über sie berichtet: die Villa Catena. Ich war mit unserem Bekannten, der Pferde auf dem weitläufigen Gelände untergestellt hat und daher einen Schlüssel besitzt, vor ein paar Tagen dort, um mir die verfallene Pracht einmal selbst anzusehen. Wer Mark G.s Artikel Dinopoli noch nicht kennt, sollte ihn unbedingt lesen, denn ich werde hier nur einige interessante Details ergänzen…
Die Villa war der Sommersitz der örtlichen Adelsfamilie Conti di Poli und muss vor vierhundert Jahren, als sie nur vier Kilometer vor den Toren der Stadt erbaut wurde, wunderschön gewesen sein. Wie die Villa d’Este liegt sie auf einer kleinen Anhöhe und besaß eine (allerdings deutlich bescheidenere) Brunnenanlage. Von den einstigen weitläufigen Gärten, zu denen natürlich auch Nutz- und Obstgärten, Olivenhaine, Weinberge und Felder gehörten – das gesamte Areal umfasst ca. 90 Hektar –, ist natürlich nichts mehr zu sehen, selbst die Landschaft sieht heute gänzlich anders aus und ist wesentlich hügeliger und mit Wald bedeckt. Früher gehörten die Gartenanlagen zu den bedeutendsten in der Region, so wie die Villa zu den fünf bekanntesten Villen im Umkreis von Rom zählte, von ihrer kunsthistorischen Bedeutung vergleichbar mit der Villa Medici oder der Villa Pamphili in Rom.
Auf dem Gelände arbeiteten rund hundert Menschen, die mit ihren Familien in vereinzelten Häusern, aber auch über den riesigen Stallungen und Remisen lebten. Jede Familie hatte ihr eigenes Zimmer mit kleiner Küche, und es gab sogar eine Schule für die Kinder, sofern diese nicht auf dem Gut helfen mussten. Zusätzlich wurden zu den Erntezeiten noch Helfer aus dem Dorf eingestellt. Oder vielmehr wurden sie tageweise zur Arbeit abkommandiert und erhielten nicht einmal Lohn dafür, was irgendwann zu einer kleinen Rebellion führte. Der Fürst war jedoch nicht dumm und organisierte seine Arbeiterschaft in ca. zehnköpfige Gruppen um, gab den Anführern Geld und befahl ihnen, die ihnen unterstellten Arbeiter unter Kontrolle zu bringen – entweder, indem sie ihnen einen Anteil auszahlten, oder auf andere Weise.
Besondere Mitarbeiter durften in eigenen Häusern leben, so der Verwalter oder der Arzt, der für die Familie und die Angestellten zuständig war. Fast alle diese Häuser, von denen es ungefähr zwanzig gab, sind komplett verschwunden. In einem der letzten wohnt ganz allein eine nahezu hundertjährige Dame, die man allerdings schon lange nicht mehr gesehen hat.
Als die Conti di Poli mit Innozenz XIII. einen Papst hervorbrachten, wurde am anderen Ende des Geländes eine weitere Villa errichtet, etwas kleiner, aber zweifelsfrei genauso prachtvoll und von weitläufigen Gärten umgeben. Ein berühmter Freskenmaler stattete sie aus, und der Papst verbrachte dort seine Sommer (da er nur drei Jahre lang auf dem Thron saß, stellt sich die Frage, ob er sie überhaupt jemals im fertigen Zustand gesehen hat, aber vielleicht begann er auch bereits als Kardinal mit dem Bau).
Ein weiteres, etwas kurioses Gebäude wurde weiter westlich errichtet, auf einer Anhöhe. Es heißt, dass dort der päpstliche Hofstaat untergebracht war, in eher beengten Verhältnissen vermutlich, zumindest wenn man kein Kardinal war und in den Prunkräumen residierte, sondern im Zwischengeschoss. Interessant ist, dass das Haus direkt an der Grenze des Grundstücks erbaut wurde – und die Straße zur Villa der Conti mitten hindurch führte.
Von beiden Gebäuden ist leider fast nichts mehr erhalten, ebenso wenig wie von den beiden Kirchen, der Mühle oder den Teichen. Die Villen wurden vor vierzig Jahren geplündert, und Regen und Wind ließen sie verfallen, so dass nur noch das Erdgeschoss einigermaßen intakt ist. Die päpstliche Villa ist dunkel und geheimnisvoll und wirkt wie aus einem Horrorfilm, ihren einstigen Prunk kann man sich nur noch schwer vorstellen. Im Keller befanden sich die Küche und Wirtschaft- bzw. Lagerräume. Hier versteckten die Bewohner von Poli ihre Vorräte vor den deutschen und amerikanischen Soldaten im zweiten Weltkrieg, und ein Tunnel führte bis in die Stadt. Auch die örtlichen Partisanen fanden hier Unterschlupf.
Auf dem Gelände der einstigen Barockgärten erhebt sich nun ein dichter Wald. Angeblich sind die Kanäle des Bewässerungssystems noch weitgehend erhalten, kilometerlange Tunnel, in denen Wasser aus den Bergen zu den Zisternen floss oder die Brunnenanlage speiste. Aber all die Skulpturen und Bassins sind verschwunden oder zerstört. Vor einiger Zeit wurden immerhin zwei steinerne Adler, die einst eines der fünf Tore schmückten, in Tivoli entdeckt und beschlagnahmt. Heute stehen sie verwittert in einer Remise und verfallen weiter.