Heute geht es um einen Regisseur, der zwei Mal für seine Arbeiten einen Oscar gewann, gerne historische Persönlichkeiten oder Künstler in den Mittelpunkt stellte, die in Konflikt mit der Gesellschaft gerieten, und dessen Filme oftmals politisch waren, was ihn schon zur Emigration aus seiner osteuropäischen Heimat zwang. Außerdem wurde ein Asteroid nach ihm benannt. Was macht eigentlich…?
Miloš Forman
Geboren wurde er 1932 als Jan Thomáš Forman in der Tschechoslowakei. Als Teenager wurde er Zeuge der Verhaftung seiner Eltern durch die Gestapo; sie starben einige Zeit später in deutschen Konzentrationslagern. Einer seiner Klassenkameraden war übrigens Václav Havel.
Beeinflusst von der Nouvelle Vague, begann er in den Sechzigern, Spielfilme zu drehen, in denen es schon früh um Außenseiter und Querköpfe ging, die mit der Gesellschaft in Konflikt geraten, ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch fast alle seine Arbeiten zieht. Mit seinem ersten Spielfilm schon erregte er internationale Aufmerksamkeit, aber erst Der Feuerwehrball (der bei uns den etwas befremdlichen Titel Anuschka – es brennt, mein Schatz trug) machte ihn berühmt. 1967 entstanden, in einer Zeit, in der sich in der Tschechoslowakei etwas zum Besseren zu verändern und Gesellschaftskritik möglich schien, verhalf er Forman zu einem Deal in Hollywood. Als er in Paris darüber verhandelte, wurde in seiner Heimat der Prager Frühling brutal beendet und Forman als Landesverräter gebrandmarkt und ins Exil gezwungen. Dass er danach mit Taking Off (Ich bin durchgebrannt) seinen ersten US-Film über ausgerissene Teenager drehte, war sicherlich kein Zufall…
Seinen ersten Oscar erhielt er für Einer flog übers Kuckucksnest, der von dem kürzlich verstorbenen Saul Zaentz (und Michael Douglas) produziert wurde. Ein beklemmender Film mit einem grandiosen Jack Nicholson, dessen Ende sich einem unauslöschlich ins Gedächtnis einprägt. Atmosphärisch das genaue Gegenteil war sein nächstes Projekt, die Verfilmung des Hit-Musicals Hair. Wer das Stück allerdings einmal auf der Bühne gesehen hat, empfindet die Leinwandversion trotz ihrer mitreißenden Choreografie als etwas behäbig und verharmlosend.
In den Achtzigern wurden die Abstände zwischen seinen Filmen länger, so dass es nur drei Streifen gibt, die in dieser Dekade entstanden, aber alle drei sind absolut sehenswert. Ragtime erzählt von der Rassendiskriminierung in den USA im frühen 20. Jahrhundert und ist eine Geschichte über Unrecht, das Unrecht gebiert, eine mitreißende, wütend machende und packende Story, die an Michael Kohlhaas erinnert. Mein Lieblingsfilm von Forman ist jedoch der 1984 entstandene Amadeus, ein Bio-Pic über Mozart, erzählt aus der Sicht seines Konkurrenten Salieri, der an seiner Mittelmäßigkeit und seinem Neid auf das Genie zerbricht. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich den Film in einem uralten, mit Holzstühlen (!) ausgestattetem Kino in Süddeutschland gesehen habe und trotz der Unbequemlichkeiten – der Film dauert immerhin drei Stunden – völlig begeistert war. Auch wenn ich ihn lange nicht gesehen habe, einer meiner absoluten Lieblingsfilme.
Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben: Valmont hatte 1989 das Pech, etliche Monate nach dem großartigen Gefährliche Liebschaften von Stephen Frears in die Kinos zu kommen. Die Verfilmung von Choderlos de Laclos‘ Briefroman fiel leider auch inhaltlich gegenüber seinem Konkurrenten ab, ist aber dennoch ein guter Film.
Erst sieben Jahre später drehte Forman einen weiteren Film, wieder ein Bio-Pic: Larry Flynt – die nackte Wahrheit über den umstrittenen Hustler-Gründer, bei dessen Dreharbeiten Fiktion und Realität eine bizarre Allianz eingingen, und 1999 entstand Der Mondmann, sein Film über den Komiker Andy Kaufman (dem schon REM mit Man On The Moon ein musikalisches Denkmal gesetzt hatten) mit einem für seine Verhältnis großartigen Jim Carrey in der Titelrolle.
Seinen letzten größeren Film drehte Forman 2006, und wieder geht es darin um einen Künstler: Francisco de Goya. Natalie Portman spielt in Goyas Geister die Muse des Malers, die Opfer der Inquisition wird, kein großer Wurf, aber packendes Schauspielerkino. Danach wurde es ruhig um Forman, bis er 2009 an der Seite seines Sohnes Petr das tschechische Musical Dobre placená procházka drehte.
Wie bei Landis und Carpenter lagen auch die größten Erfolge Formans in den Siebzigern und Achtzigern, während es in den Jahren danach immer ruhiger wurde und seine Filme nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit erregten. Dennoch ist es erstaunlich, dass er offenbar kaum noch Angebote erhielt oder seine Versuche, einen Film auf die Beine zu stellen, scheiterten. Zwei Regie-Oscars sollten doch eigentlich Referenz genug sein. Es liegt wohl an der Schwäche des amerikanischen Independent-Kinos, das von manchen mittlerweile für tot erklärt wird, dass Leute wie er nicht mehr arbeiten (können), auch wenn er inzwischen ein Alter erreicht hat, in dem man vielleicht seinen Ruhestand genießen möchte…