Bad Neighbors

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt.“ Das wusste schon Friedrich Schiller, wobei Streitigkeiten unter Nachbarn vermutlich bereits vorkamen, als wir noch in Höhlen lebten und einer lauter grunzte als es dem Neandertaler nebenan in den Kram passte. In meiner Nachbarschaft gibt es einen Hund, der aus jedem nichtigen Anlass bellt, klein und fies wie er ist (Modell Fußhupe) findet er immer einen Grund, und sei es, dass jemand an seinem Gartenzaun entlanggeht. Dann gibt es (vielleicht sogar im selben Haus, was das dünne Nervenkostüm des Hundes erklären würde) ein Kind, das die Nachbarschaft jahrelang mit seinen kläglichen Versuchen, seiner Blockflöte ein paar melodische Töne zu entlocken, beglückt hat. Das weckte schon mal böse Gedanken daran, dem Blag das Instrument quer in den Hals zu schieben – oder zumindest den Eltern, die nicht einsehen wollen, dass ihr Sprössling kein Virtuose werden wird. Inzwischen hat das Kind, das zum Glück nie enthusiastisch bei der Sache war und sein Spiel meist nach einer halben Stunde beendete, die Flöte aufgegeben. Es spielt nun Geige…

Streitigkeiten unter Nachbarn enden häufig vor Gericht, manchmal geht dem jedoch ein langer, zermürbender Kleinkrieg voraus, bei dem keine Seite der anderen etwas schuldig bleiben will. Im Grunde hilft bei nervigen Nachbarn nur eines: Geduld. Man muss sich nicht über alles aufregen, vor allem nicht über Dinge, die sich kaum ändern lassen. Hunde bellen nun einmal, manche mehr als andere, und im Grunde ist es doch schön, wenn ein Kind versucht, seine Musikalität zu entwickeln. Oder man besorgt sich Ohropax.

Wie es aussieht, wenn es nicht mit dem Nachbarn klappen will, erzählt uns im Kino gerade eine Komödie:

Bad Neighbors

Mac (Seth Rogen) und Kelly (Rose Byrne) sind frisch gebackene Eltern, die kürzlich in eine typische amerikanische Vorstadt gezogen sind. Eines Tages wird das Nachbarhaus von einer Studentenvereinigung gekauft, und die beiden befürchten, dass es damit um die Ruhe in ihrer Gegend geschehen ist. Sie versuchen zunächst, sich gut mit den Anführern Teddy (Zac Efron) und Pete (Dave Franco) zu stellen, aber die vielen Partys bringen sie und ihr Baby bald um den Schlaf. Als sie sich bei der Polizei beschweren, brechen sie ungewollt einen Kleinkrieg vom Zaun…

Nur nichts gefallen lassen ist der Titel einer bekannten Kurzgeschichte von Gerhard Zwerenz über einen Nachbarschaftsstreit, der mit Mord und Totschlag (und einem Atomschlag) endet. Ganz so weit geht diese Komödie zwar nicht, dafür ist sie auch nicht so lustig. Dabei suggeriert der Trailer einen Mordsspaß und beinhaltet leider bereits alle guten Gags.

Schuld an diesem Dilemma ist wieder einmal Judd Apatow, dabei hatte er diesmal nicht einmal selbst die Finger im Spiel, sondern nur sein Eleve Seth Rogen, der mit seinen langjährigen Weggefährten Andrew J. Cohen und Brendan O’Brien die Geschichte entwickelte. Deren Ansätze sind auch durchaus vielversprechend, da geht es um den Zusammenprall zweier Lebensentwürfe, scharfe charakterliche Gegensätze, die Angst davor, erwachsen und spießig zu werden, und nicht zuletzt um einen Kleinkrieg, der sich an Kleinigkeiten entzündet und in einem Stellungskrieg mündet. Viele Möglichkeiten für Wortwitz und Situationskomik also, und ein, zwei Gags zünden auch so gut wie ein Airbag.

Das Problem ist die Erzählweise der Apatow’schen Schule, die aus den Darstellern debile Dauerredner macht, die jede noch so gut gemeinte Pointe in Grund und Boden quasseln, unendlich lange auf jedem noch so dünnem Witz herumreiten und wirklich alles, was in irgendeiner Form mit Körperflüssigkeiten zu tun hat, für unglaublich komisch halten. Das Resultat ist zu jeweils einem Drittel zum Fremdschämen, zum Ekeln und zum Sterben langweilig.

Es ist eine Komödie der Peinlichkeiten und der Pipi-Kaka-Witze, über die man sich als Zehnjähriger schieflachen konnte, aber irgendwann wird man älter und stellt andere Erwartungen an seine Unterhaltung. Pointierte, schlagfertige Dialoge, Ironie, Timing, all das, was eine gute Komödie ausmacht, sucht man hier vergeblich. Immerhin, wenn man die ersten, grottenschlechten dreißig Minuten überstanden hat, wird es ein wenig besser, und ja, hin und wieder reicht es zu einem müden Schmunzeln, dennoch ist das Ganze ein Trauerspiel…

Note: 4-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.