Godzilla

Die Technik macht unser Leben ja um so vieles einfacher. Was musste es für unsere Groß- und Urgroßmütter für ein fürchterlicher Aufwand gewesen sein, Wäsche zu waschen oder Teppiche auszuklopfen, ganz zu schweigen davon, dass man vorher vermutlich noch das halbe Zimmer aus- und später wieder einräumen musste, um überhaupt an die Teppiche zu gelangen. Heute stopft man seine Wäsche in die Maschine, drückt ein paar Knöpfe – und beschwert sich darüber, dass man seine Hemden und Socken auch noch selber aufhängen muss. Und Teppichklopfer sind vermutlich schon lange aus den Haushalten verschwunden, es sei denn, rabiate Ehefrauen jagen damit noch immer hinter ihren Männern her.

Wir können heute sehr viele Dinge gewissermaßen nebenbei erledigen – und muten uns daher immer mehr zu. Das Resultat ist Stress und das schlechte Gefühl am Abend, wieder mal nur die Hälfte dessen geschafft zu haben, was man erledigen wollte. So wollte ich am Wochenende auch eine Auftragsarbeit erledigen, am neuen Buch schreiben, die Kritiken zu den Filmen verfassen, die ich vergangene Woche gesehen habe, und endlich mal das Unkraut im Garten jäten. „Nur noch eben schnell die Welt retten…“

Geschafft habe ich nur die Hälfte, das Unkraut steht immer noch, dafür war ich gestern auf einer netten Party und die Kritiken… Nun, hier ist zumindest mal die erste:

Godzilla

Joe (Bryan Cranston) und Sandra Brody (Juliette Binoche) arbeiten in einem japanischen Kernkraftwerk, als es zu einem rätselhaften wie schwerwiegenden Zwischenfall kommt, bei dem Sandra stirbt. Jahre später: Ihr Sohn Ford (Aaron Taylor-Johnson) ist inzwischen erwachsen und selbst Vater, als Joe in Japan verhaftet wird, weil er in das Sperrgebiet rund um seine frühere Wirkungsstätte eingedrungen ist. Ford reist zu ihm, obwohl er von den Verschwörungstheorien seines Vaters nichts wissen will. Aber Joe ist davon überzeugt, dass etwas Unheimliches auf dem angeblich verseuchten Gelände des AKW vor sich geht…

In Roland Emmerichs Version von Godzilla von 1998 war alles noch recht simpel: Die Riesenechse ist aufgrund der vielen Atomtests im Pazifikraum mutiert, damit letztendlich menschgemacht oder zumindest die Folge ungezügelten menschlichen Handelns, das keinen Respekt vor der Natur kennt. Zivilisationskritik mit dem Holzhammer. Gareths Edwards Version erscheint jedoch wesentlich vielschichtiger. Hier taucht Godzilla nicht einfach als Schrecken des atomaren Zeitalters auf, sondern ist älter als jede menschliche Zivilisation. Und er ist nicht allein, denn die Menschen haben zwei weitere Monster aus grauer Vorzeit entdeckt und geweckt, die nun unsere Welt heimsuchen, gigantische Fledermäuse, Mutos genannt, die radioaktives Material in Energie und damit Nahrung umwandeln. Sie stellen die eigentliche Bedrohung dar – und Godzilla ist die Antwort, die Mutter Natur gibt.

In diesem Szenario verkommt der Mensch lediglich zu einem Nebendarsteller, zu einer Ameise, die zwischen zwei kämpfende Bestien gerät. Entsprechend besitzt der Film keine strahlende Helden, sondern lediglich Figuren, die uns durch die Handlung begleiten, deren Leben aber jederzeit gefährdet ist. Es gibt Wissenschaftler, die uns erklären, wie und was gerade passiert, Militärs, die nach gewalttätigen Lösungen suchen, deren Waffen aber nicht viel auszurichten vermögen, und Zivilisten, die hilflos mit ansehen müssen, wie ihre Städte in Schutt und Asche sinken: „Tand ist das Gebilde aus Menschenhand“.

Zerstört wird viel in diesem Film, aber abgesehen vom Showdown in San Francisco ist nicht viel davon zu sehen, es passiert schnell und oft jenseits der Kameras. Sehr schön der Moment, in dem sich die Spieler in Las Vegas vergnügen, während auf den unbeachteten Bildschirmen von der Zerstörung ihrer Stadt berichtet wird. Fans hemmungsloser Zerstörungswut könnten sich dadurch ein wenig betrogen fühlen, obwohl das bildgewaltige Ende einiges dazu beiträgt, sie für die eine oder andere Enttäuschung zu entschädigen.

Wer also meint, bei einem Film wie Godzilla genau zu wissen, was er zu erwarten hat, dürfte hier die eine oder andere Überraschung erleben. Insgesamt ein kurzweiliges Action-Spektakel mit einigen tollen Bildern.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.