12 Years A Slave

Ostern liegt hinter uns, alle Eier wurden gefunden, die Schokohasen verputzt, nun können wir uns wieder den ernsten Dingen des Lebens widmen. Zum Beispiel einem Nachtrag zur diesjährigen Oscarverleihung und 12 Years A Slave, einem der haushohen Favoriten, der am Ende mit drei wichtigen Trophäen ausgezeichnet wurde (für das Beste Adaptierte Drehbuch , die Beste Nebendarstellerin und als Bester Film). Um eines gleich vorwegzuschicken: Für mich war der beste Film des Jahres Gravity

12 Years A Slave

Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor) ist ein freier schwarzer Mann, ein Violinist, der mit seiner Frau und zwei Kindern im Staate New York lebt. Als er sich eines Tages zu einem Gastspiel in Washington überreden lässt, wird er von seinen Auftraggebern verraten, betäubt und in die Sklaverei verkauft. Als vermeintlich geflohener Sklave namens Platt schafft man ihn nach Süden, wo er zuerst an Ford (Benedict Cumberbatch) verkauft wird. Für einen Sklavenhalter relativ human, fasst Solomon vorsichtiges Vertrauen zu Ford und engagiert sich. Doch seine Talente wecken den Neid des weißen Aufsehers Tibeats (Paul Dano), der Solomon töten will. Um ihn zu schützen, verkauft Ford ihn an Epps (Michael Fassbender), einen psychopathischen Menschenschinder, der Solomon Baumwolle pflücken lässt. Erst als er den Sklavereigegner Bass (Brad Pitt) kennenlernt, wendet sich das Blatt…

Nach seiner Befreiung aus der Sklaverei schrieb Solomon Northup ein Buch über seine Erlebnisse, das als Grundlage dieser Verfilmung diente. Die Geschichte ist nahezu unglaublich und vermittelt einen intensiven Einblick in das Leben der Sklaven in den amerikanischen Südstaaten. In Filmen wie zum Beispiel Vom Winde verweht wurde das Thema bislang ja eher verdrängt, teilweise sogar geschönt, und abgesehen von der Fernsehserie Roots kann ich mich an keinen anderen Beitrag zu diesem Thema erinnern, der so schonungslos die historische Realität abgelichtet hat.

Naturgemäß kann man bei diesem Thema keinen Wohlfühlfilm erwarten, und manche Szenen sind so drastisch, dass das Hinsehen schmerzt. Michael Fassbender ist beängstigend in seiner Rolle, und sowohl Chiwetel Ejiofor als auch die oscargekrönte Lupita Nyong’o agieren ausgezeichnet. Ein Manko ist in meinen Augen allerdings die Regie von Steve McQueen, die so kühl und distanziert bleibt, dass die Story eher über den Intellekt wirkt als über das Herz. Sentimentalität kann man ihm jedenfalls nicht vorwerfen. Erst ganz am Ende, wenn Solomon wieder nach Hause zurückkehrt, gestattet sich der Film einen Augenblick der Rührung.

Eine weitere Schwäche, die nahezu jedes Bio-Pic teilt, ist die fehlende Dramatisierung im herkömmlichen Sinn. Solomon ist buchstäblich zur Passivität verurteilt, er beobachtet und wartet, bis sich irgendwann eine Gelegenheit ergibt, seinen Freunden und seiner Familie von seinem Schicksal zu berichten. Das entspricht sicherlich der Realität, ist allerdings nicht besonders spannend. So entsteht letzten Endes zwar ein großer, weil thematisch und filmhistorisch wichtiger, aber leider kein großartiger Film…

Note: 2-

Möglicherweise kommt es mir nur so vor, aber ich habe immer mehr das Gefühl, als würden die neuen Hollywoodregisseure weniger auf Emotionen als vielmehr auf eine ausgeklügelte, analytische Bildsprache setzen. Pathos und Sentimentalität, große Bilder und große Gefühle, wie man sie von Leuten wie zum Beispiel Steven Spielberg kennt, sind eher verpönt, statt satter Farben und voller Orchestrierung setzt man eher auf eine kühle Optik und experimentiert auch mal mit dem Soundtrack (was Hans Zimmer im vorliegenden Fall nur bedingt gelang). Vielleicht habe ich aber in letzter Zeit einfach auch nur die falschen Filme gesehen…

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.