Ich habe es schon einmal an der einen oder anderen Stelle erwähnt, dass ich vollkommen unmusikalisch bin. Mein Musiklehrer meinte, ich singe „wie eine rostige Säge“, mein Tanzlehrer attestierte mir ein fehlendes Rhythmusgefühl, und Meister Mim behauptet, mein Musikgeschmack sei „kompliziert“. Zumindest letzteres kann ich nicht nachvollziehen, aber das ist vermutlich Geschmackssache.
Aus den genannten Gründen bin ich kein Experte in Sachen Filmmusik. Aber sogar ein unmusikalischer Troll wie ich weiß den Zauber einer einschmeichelnden Musik zu schätzen, die eine Szene untermalt und ihren Gefühlen Tiefe verleiht. Der Weiße Hai wäre ohne die Musik von John Williams lange nicht so gruselig, und auch die Dusch-Szene in Hitchcocks Psycho hat sich erst durch die malträtierten Geigen ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Manchmal muss die Musik nicht einmal besonders eingängig sein, muss man nicht noch Tage nach dem Film seine Melodien pfeifen, um sie besonders zu schätzen. Ihre Wirkung ist oft viel subtiler und zielt, wenn sie geschickt eingesetzt wird, direkt auf die emotionale Wahrnehmung des Films ab.
Rachel Portman ist in Sachen Filmmusik meine absolute Lieblingskomponistin, weil sie es immer wieder schafft, mit ihrer Musik einem Film einen Zauber einzuhauchen und ihn so zu etwas Besonderem zu machen, auch wenn es seine Geschichte und seine Inszenierung vielleicht gar nicht hergibt. Wie zum Beispiel in Chocolat oder Alles, was wir geben mussten. Bei dem folgenden Film und einem anderen Komponisten ging es mir ähnlich…
Der bunte Schleier
Um der Enge ihres Elternhauses und ihrer despotischen Mutter zu entgehen, heiratet Kitty (Naomi Watts) 1923 überstürzt den Mediziner und Bakteriologen Dr. Fane (Edward Norton) und geht mit ihm nach Shanghai. Ihre Ehe ist unglücklich, und sie beginnt eine Affäre mit dem verheirateten Charlie (Liev Schreiber), der jedoch nicht bereit ist, für sie seine Frau zu verlassen. Als ihr Mann hinter ihren Ehebruch kommt, stellt er sie vor die Wahl, sie zu verlassen oder mit ihm in die chinesische Provinz zu kommen, wo gerade eine tödliche Cholera-Epidemie wütet…
Der Inhalt des Films folgt weitgehend dem Roman von W. Somerset Maugham von 1925, der schon einmal, Mitte der Dreißiger, mit Greta Garbo in der Hauptrolle verfilmt wurde. Es dauert eine Weile, bis man eine emotionale Beziehung zu Kitty aufgebaut hat, die im Verlauf der Handlung eine tiefgreifende psychologische Wandlung erlebt, von der gelangweilten, verwöhnten jungen Dame zu einer verantwortungsbewussten und reifen Frau. Trotz einiger Längen und einer sehr verhaltenen Inszenierung, die die Emotionalität der Ereignisse stark herunterspielt, fesselt die Geschichte einen immer mehr, wozu neben den hervorragenden Schauspielern – Toby Jones und Diana Rigg tauchen in Nebenrollen auf – vor allem die großartige Musik von Alexandre Desplat beiträgt.
Note: 3+