Doris Mary Ann Kappelhoff wird heute, am 3. April, 90 Jahre alt. Doris wer?, fragt sich vielleicht jetzt der eine oder andere Leser, dabei handelt es sich hier um eine amerikanische Ikone, wenn auch aus einer ganz anderen Zeit: Happy Birthday, Doris Day!
Zusammen mit Kirk Douglas gehört sie vermutlich zu den letzten lebenden Hollywoodlegenden. Geboren 1922 als Tochter deutscher Immigranten der zweiten Generation in Cincinnati, wollte sie zuerst Tänzerin werden, was wegen eines Autounfalls unmöglich wurde, und trat später als Sängerin auf. Sie wurde früh Mutter, war insgesamt vier Mal verheiratet und hatte zahlreiche Liebhaber, darunter angeblich auch Ronald Reagan. Ihr Künstlername geht auf ihr Lied Day after Day zurück.
Als sie 1947 für Warner Bros. ihren ersten Spielfilm – Zaubernächte in Rio von Michael Curtiz – drehte, war sie mit zwei Nummer Eins Hits bereits eine berühmte Sängerin. Der Film bescherte ihr den dritten Hit – und eine erfolgreiche Karriere auf der großen Leinwand. Nach zwei Filmmusicals, in denen sie ihr komödiantisches Talent unter Beweis stellen konnte, spielte sie in Der Mann ihrer Träume eine ernste Rolle in einem Musical-Melodram. Wieder führte Michael Curtiz, der drei ihrer ersten vier Filme inszenierte, Regie.
Trotz zahlreicher Filmrollen war sie immer noch eher als Sängerin bekannt, erst als sie sich ihre Rollen endlich selbst aussuchen konnte, änderte sich das. Nach Tyrannische Liebe von Charles Vidor (nominiert für sechs Oscars) brillierte sie 1956 in Der Mann, der zuviel wußte. Hitchcocks Remake seines Films von 1934 ist einer der besten Filme mit Doris Day, berühmt wegen ihres Songs Che Sera, Sera, der auch den Oscar für den besten Song erhielt, und wegen seines großartigen, perfekt inszenierten Finales. Den Song „recycelte“ sie noch einmal 1966 in der Agentenparodie Spion in Spitzenhöschen. Außerdem wurde er später zur Titelmelodie der Sitcom The Doris Day Show, die von 1968 bis 1973 lief.
Höhepunkt ihrer Filmkarriere waren jedoch die Komödien mit Rock Hudson, die zwischen 1959 und 1964 entstanden: Bettgeflüster, Ein Pyjama für zwei und Schick mir keine Blumen. Doris Day wurde America’s Darling, sie war so nett und patent, dass man sie einfach gernhaben musste. Und niemand konnte so herrlich entgeistert gucken wie sie (wobei Sally Field diesen speziellen Blick auch sehr gut beherrscht). Feministinnen hassten sie allerdings, weil sie ein rückwärtsgewandtes Frauenbild verkörperte. Waren die Frauen im Film der Dreißiger und Vierziger dynamische, unabhängige und aktive Persönlichkeiten, die sich von den Männern nichts gefallen ließen und sich ihren Platz in der Welt eroberten, schlug das Pendel nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in die andere Richtung aus. Nachdem sie die Arbeit der an der Front kämpfenden Männer erledigt hatten, wurden sie wieder auf die klassischen Felder Haus und Familie verbannt. Das Heimchen sollte zurück an den Herd.
Dabei waren die Filmfiguren, die Doris Day verkörperte, durchaus emanzipiert, sie hatten ihren eigenen Beruf und führten ein selbständiges Leben. Reaktionär war nur, dass sie ihre Eigenständigkeit aufgeben, sobald man sie wegheiratet – wobei sie sich zuvor lange gegen eine romantische Verbindung wehren. Dabei ist Bettgeflüster durchaus frivol, und Doris Day weiß sich in ihren Rollen auch zu wehren, doch der Geschlechterkampf der Screwball Comedys, der früher mit harten Bandagen ausgefochten wurde, wandelte sich zu einer neckischen Kissenschlacht.
Das hämische Etikett „die älteste Jungfrau der Welt“ hat sie allerdings nicht verdient. Ihre Filme waren Kinder ihrer Zeit, und die war nun mal eher prüde und auf Sauberkeit bedacht. Streng genommen atmen sie den Geist der Fünfziger und ignorieren die Umwälzungen ihrer Zeit. Frauenbewegung, Bürgerrechtsbewegung und Flower Power – war da was? Aber Hollywood war damals (und ist es teilweise auch heute noch) blind für tagesaktuelles Geschehen und reagiert erst mit einiger Verzögerung. Doris Day war die Heldin der amerikanischen Hausfrauen: die nette, liebenswerte Frau von nebenan, ein bisschen bieder und konservativ, auf Werte wie Treue, Ehrlichkeit und Schicklichkeit bedacht, dazu perfekt in allen Lebenslagen und immer adrett gekleidet. Apropos Kleidung: Ihre Filmkostüme scheinen eine eigene Sprache zu sprechen, sie spiegeln stets perfekt das Wesen ihrer Trägerin wider. Wo findet man das heute noch?
Man kann als Hollywoodstar gegen sein Image ankämpfen wie Marilyn Monroe es tat und daran zerbrechen oder es verinnerlichen. Und niemand sollte Film und Realität verwechseln, denn ganz so bieder wie ihre Figuren war Doris Day sicherlich nie, und Rock Hudson war auch kein Womanizer…
Ende der Sechziger Jahre beendete Doris Day ihre Filmkarriere. Aus persönlichen Gründen (der Tod ihres Mannes und Managers brachte sie unter anderem in finanzielle Schwierigkeiten), aber auch weil sie ihr Image nicht mehr ändern wollte. Es war auf einmal eine andere Zeit. Die Rolle der Mrs. Robinson in Die Reifeprüfung lehnte sie deshalb ab.
Mein Lieblingsfilm ist Norman Jewisons Komödie Was diese Frau so alles treibt von 1963, in dem eine Hausfrau zufällig zum Werbestar wird und damit das Leben ihrer Familie auf den Kopf stellt. Eine klassische Fish out of Water-Story, perfekt inszeniert und grandios gespielt. Vielleicht sollte ich sie mir demnächst einmal wieder ansehen…
Doris Day lebt heute zurückgezogen in Carmel-by-the-sea und engagiert sich seit Jahrzehnten stark für den Tierschutz (zu diesem Thema hatte sie auch in den Achtzigern eine Talkshow). Wer einmal unter ihrem Dach übernachten möchte, kann dies problemlos tun: Ihr gehört das Cypress Inn.
Als Schauspielerin gehörte sie nie zu den ganz Großen, aber sie ist eine großartige Komödiantin, eine der wenigen Königinnen der Romantischen Komödie. Auch Jahrzehnte nach ihrem Rückzug aus dem Showbusiness ist sie immer noch eine bekannte Marke, eine Ikone der Filmgeschichte, unverwechselbar und unveränderlich. Das sieht man unter anderem daran, dass sie, ihr Stil und das, wofür sie steht, immer wieder zitiert wird. Sei es in Filmen wie Down with Love oder zahlreichen Songs von den Beatles über Elton John, Wham! bis hin zu Something Special von de phazz, wo es herrlich ironisch heißt: „I’m gonna be your wild one / Just like Doris Day“…